Erziehungsfallen – das sollten Eltern besser vermeiden

Zwischen guten Vorsätzen, Alltagschaos und Aha-Momenten

Eine Mutter spricht mit ihrem Kind in einem Park und hält dessen Hände
Entwicklung und Erziehung
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von Ulrike Lindner

„Ich hab doch gesagt, dass du aufhören sollst zu hauen!“ – „Wenn du das jetzt nicht aufräumst, dann gibt’s kein Tablet mehr!“ Es sind Sätze, die fast alle Eltern schon mal gesagt haben. Und es sind oft genau die Momente, in denen wir merken: Irgendwas läuft hier gerade nicht so, wie wir es uns eigentlich wünschen.

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Erziehen ist nicht schwer – wenn man keine Kinder hat.

Sobald das eigene Kind wütend brüllend auf dem Boden liegt, der Teenager zum zehnten Mal „Du verstehst mich nicht!“ ruft oder die Kita zum fünften Mal anruft, weil „es heute wieder schwierig war“, stellt sich die Frage: Was kann ich eigentlich tun – und was besser lassen?

Diese 10 typischen Erziehungsfallen schleichen sich gern im Alltag ein

Hier sind klassische Fallen bei der Erziehung, die viele Eltern kennen – von Kleinkind bis „Pubertier“. Aber keine Sorge: Wir verraten auch ein paar Ideen, wie man sie vermeiden kann.

1. Alles regeln wollen – und nichts mehr dem Kind zutrauen

Kleine Kinder brauchen Regeln – keine Frage. Aber wenn wir ihnen alles abnehmen, lösen oder vordenken, rauben wir ihnen eine wichtige Erfahrung: Selbstwirksamkeit. Kinder, die ständig hören „Das kannst du nicht“ oder „Ich hab’s doch gleich gesagt“ trauen sich weniger zu und lernen weniger. Besser: unauffällig präsent sein, Aufgaben kindgerecht übergeben, Entscheidungen im Rahmen ermöglichen – und auch mal daneben greifen lassen. So lernen Kinder: Ich kann was.

2. Konsequent sein – aber nur, wenn es gerade passt

Heute gibt’s Süßigkeiten nur nach dem Essen, morgen schon beim Einkaufen an der Kasse? Wer Grenzen und Regeln aufstellt, muss sie nicht in Stein meißeln – aber sie sollten erkennbar und nachvollziehbar bleiben. Sonst weiß das Kind nicht, woran es ist. Und Eltern verlieren an Glaubwürdigkeit.

3. Viel reden – wenig zuhören

Eltern erklären. Viel. Und gerne. Warum das mit dem Aufräumen wichtig ist. Weshalb Lügen nicht okay sind. Warum es keine dritte Folge Paw Patrol gibt. Was dabei manchmal untergeht: Zuhören. Fragen stellen. Nachfragen. Und das Kind ernst nehmen – auch wenn’s „nur“ um den verschwundenen Lieblingsstift geht. Denn wer sich gehört fühlt, muss weniger schreien.

4. Loben – aber irgendwie immer gleich

„Toll gemacht!“ ist schnell gesagt – verliert aber schnell an Wirkung, wenn es immer gleich klingt. Besser: konkretes, echtes Lob, z. B. „Ich fand es super, wie du deiner Schwester geholfen hast, ohne dass ich was sagen musste.“ So lernen Kinder nicht nur, was gut war – sondern auch, warum.

5. Gefühle klein reden oder ignorieren

Ein Sturz auf dem Spielplatz, die Wut über das verlorene Spiel, die Angst vorm Zahnarzt – Gefühle sind da. Und Sätze wie „Ist doch nicht so schlimm“ oder „Jetzt hör aber auf zu weinen“ helfen nicht. Gefühle dürfen sein. Selbstverständlich bei Jungen genauso wie bei Mädchen. Alle Kinder brauchen Worte für das, was sie fühlen – und jemanden, der sagt: „Ich verstehe dich. Ich bin da.“

6. Vergleiche ziehen – auch wenn’s nicht böse gemeint ist

„Deine Schwester war in dem Alter schon längst trocken!“ – „Der Jonas aus der Kita kann das aber besser.“ Solche Vergleiche setzen unter Druck – selbst, wenn sie gut gemeint sind. Kinder brauchen Zeit – ihre eigene. Und sie brauchen Eltern, die sie in ihrer Einzigartigkeit sehen.

7. Erziehen durch Drohen und Strafen

„Wenn du jetzt nicht kommst, dann…“ – Sätze dieser Art wirken kurzfristig. Langfristig entsteht ein Klima aus Angst und Widerstand. Was Kinder brauchen, ist eine langfristige, verlässliche Eltern-Kind-Beziehung. Klare Regeln, aber ohne Drohkulisse. Konsequenzen, die nachvollziehbar sind – und Erklärungen, die nicht in Machtkämpfe ausarten.

8. Sich selbst vergessen – aus Liebe zum Kind

Viele Eltern stellen die eigenen Bedürfnisse hintenan. „Ich will doch nur, dass es meinem Kind gut geht.“ Doch wer immer wieder über die eigene Belastungsgrenze geht, brennt aus. Zu hohe Erwartungen an sich selbst und der Wunsch, es allen recht zu machen, um die perfekte Mutter oder der ideale Vater zu sein, sorgt für mehr Druck als irgendjemand aushalten kann. Im Gegenteil: Wenn Eltern glücklich sind, sind Kinder es in der Regel auch. Zumindest dann, wenn wir ausreichend Zeit miteinander verbringen. Kinder brauchen Eltern, die zeigen: Ich sorge gut für mich – und deshalb auch für dich.

9. Konflikte vermeiden – statt sie zu klären

„Ich will jetzt keinen Streit“, denken viele – und geben nach. Oder ignorieren, was sie eigentlich stört. Dabei gehören Konflikte zum Familienleben dazu. Wichtig ist: streiten lernen, statt zu vermeiden. Sowohl in der Partnerschaft als auch im Verhältnis zu den eigenen Kindern. Kinder spüren sehr genau, wenn Sand im Getriebe des Familienlebens knirscht. Da hilft es wenig, um des lieben Friedens willen zu schweigen. Denn Kinder brauchen unser gutes Beispiel um zu lernen, wie man seine Bedürfnisse formuliert – und wie man sich wieder versöhnt, wenn es mal Streit gegeben hat.

10. Verantwortung zu früh abgeben

Gerade bei älteren Kindern passiert das schnell: Sie kümmern sich ums kleinere Geschwisterchen, übernehmen zu Hause vieles, weil „sie das halt so gut können“.
Doch Kindheit ist keine Management-Schulung. Kinder dürfen helfen – aber sie sollen nicht funktionieren. Verantwortung ja – aber altersgerecht.

 

Fazit: Perfekt sein muss niemand – präsent sein reicht oft schon

Eltern machen Fehler. Alle. Auch die, die auf Elternratgebern lächeln. Die gute Nachricht: Kinder verzeihen, wenn wir ehrlich sind. Wenn wir sagen: „Das war nicht gut von mir. Ich probier’s anders.“ Es geht nicht um Perfektion, sondern um Verbindung. Um echtes Interesse. Und darum, den Alltag immer wieder mit kleinen Kurskorrekturen zu gestalten. Darin liegt die wahre Erziehungskunst: Nicht alles richtig zu machen, sondern es immer wieder neu zu versuchen.

Sie sind auf der Suche nach mehr Tipps?

Dann schauen Sie doch mal bei unseren Ratgebern vorbei. Hier finden sich Infos und Ansätze zu speziellen Themen und potenziellen Konfliktfeldern, die zu einer Erziehungsfalle werden könnten, aber nicht müssen.

Mit dem richtigen Wissen und einem bewussten Umgang mit ihren Kindern, müssen Eltern nicht in die Falle tappen.

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Über den Autor/die Autorin

Ulrike Lindner hat Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Hochschule der Künste, Berlin, studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin, Werbetexterin und Moderatorin.

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