„Digitale Demenz…“ - oder digitale Kompetenz - wohin führt der Weg?

Entwicklung und Erziehung
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von Jörg Sauer
Die immer enger zusammenwachsende Welt stellt jeden von uns vor neue Herausforderungen. Alles scheint schneller abzulaufen, sei es die Menge an Informationen oder das Tempo der Datenübertragung. Diesem Prozess muss sich jeder Einzelne stellen, bewusst oder unbewusst. Ein Aussteigen gibt es für "Normalverbraucher" nicht. Es gilt, dabei das individuell passende Maß zu finden.
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Die immer enger zusammenwachsende Welt stellt jeden von uns vor neue Herausforderungen. Alles scheint schneller abzulaufen, sei es die Menge an Informationen oder das Tempo der Datenübertragung. Diesem Prozess muss sich jeder Einzelne stellen, bewusst oder unbewusst. Ein Aussteigen gibt es für „Normalverbraucher“ nicht. Es gilt, dabei das individuell passende Maß zu finden. Dazu möchte der nachfolgende Beitrag einige Anregungen geben und den Fokus in besonderem Maße auf Schule und Elternhaus richten.

Kurze begriffliche Erläuterungen


Die beiden Begriffe bilden die sprichwörtlichen zwei Seiten einer Medaille, ein Teil ist eher mit einer positiven Aussage und der andere mit einer doch etwas negativeren Grundhaltung.

Digitale Demenz [1]

Das Wort "digital" ist vom lateinischen Wort "digitus" abgeleitet, welches Finger bedeutet. "Digitus drückt zugleich das Zählen mit Fingern aus." [2] Aus dieser natürlichen Vorgabe ergibt sich eine begrenzte Anzahl an Varianten. Auf dieser Erkenntnis beruht die wichtigste digitale Eigenschaft. "…Eine begrenzte, feste Menge von Signalen". [3] Alle Informationen werden in Zeichen umgesetzt. Das am meisten verwendete System ist das binäre System. "Bi" stammt von der lateinischen Sprache und bedeutet "zwei". Es gibt nur die beiden Zeichen "0" und "1". Ein Signal ist nicht vorhanden oder es existent. Als "Vater" der binären Systeme gilt der deutsche Philosoph Gottfried Wilhelm Leibnitz (1646 - 1716). Da für ihngalt:"Ohne Gott ist nicht,…setzte er für Gott die Eins und für das Nichts die Null." [4]

Unter dem aus dem lateinischen kommenden Begriff "Demenz" (Demens- ohne Geist) versteht man den Verlust an emotionalen, sozialen und kognitiven Fähigkeiten. Dies führt zu großen Beeinträchtigungen im privaten sowie beruflichen Leben. Meist geht die Krankheitsentwicklung mit:"… einer diagnostizierbaren Erkrankung des Gehirns einher." [5]
Die Wortkombination der "Digitalen Demenz" hat Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer (geb. 1958) geprägt. Sein Buch "Digitale Demenz - Wie wir unsere Kinder um den Verstand bringen" schlug doch teilweise sehr hohe Wellen.
Manfred Spitzer stellt meist überzeugend darf, was ohne Training an Hirnbildung ausbleibt. Wenn bestimmte Funktionen nicht richtig gelernt werden, so kann die soziale Isolation eine Folge sein und der Einzelne ist nur noch virtuell tätig. Viele dieser Erscheinungen sind bekannt, wie zum Beispiel das Zurückgehen der Merkfähigkeit, das Sinken der Konzentrationsfähigkeit oder das eigene Wahrnehmen im Raum um nur einige zu nennen. Leider lässt der Autor eine eindeutige Definition des Begriffes der "Digitalen Demenz" vermissen. Der Leser muss sie sich geben. Manfred Spitzer schreibt "… alle Leiden an Demenz, und keiner merkt etwas!... zum Wesen der Demenz gehört es schließlich, dass man kritiklos ist, nicht mehr richtig … mitbekommt, was wirklich um einen herum geschieht. … Weil wir schon alle digital dement sind." [6]
Leider gelingt es dem geachteten Autor nicht, mit geeigneten Auswegen aufzuwarten. Eine gewisse Fortschrittsverweigerung ist erkennbar. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Meinung von Vera Linß: "Manfred Spitzer langweilt mit der immer gleichen These: Computer und soziale Netzwerke machen krank. Er gibt sich gewohnt technikfeindlich, bietet keine konstruktiven Vorschläge, wie soziale Benachteiligung bei der Computernutzung abgeschafft werden kann:" [7]

Digitale Kompetenz

Der Begriff der "Kompetenz" ist sehr vielschichtig. Aus der pädagogischen Sicht bedeutet dies, Fähigkeiten und Fertigkeiten so zu nutzen, um Probleme lösen zu können.
Bezogen auf das Entwickeln von Kompetenzen beim Umgang mit den digitalen Geräten bzw. Medien bedeutet es"… die Fähigkeit … " diese "…den eigenen Zielen und Bedürfnissen entsprechend zu nutzen." [8] Der deutsche Erziehungswissenschaftler Dieter Baacke (1934 - 1999)prägte diesen Begriff wesentlich und unterteilte ihn nach: "Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung." [9]

Weitere Informationen und praktische Tipps rund um diesen Begriff finden Sie unter: www.lehrer-online.de/medienkompetenz.php

Fazit


Die Entwicklung hin zur Informationsgesellschaft mit all seinen Tücken aber auch vielen positiven Aspekten ist nicht mehr rückgängig zu machen.

Fortschrittsverweigerer nützen sich selbst und anderen kaum etwas. Das Verhalten, dem Neuen sich zu verweigern, gab es schon immer. Da waren es im 19. Jahrhundert die Gegner der Eisenbahn oder an der Schwelle zum 20. Jahrhundert diejenigen, die das Automobil als teuflisch einstuften. Doch die Entwicklung ging immer weiter, um mit Michail Gorbatschows geflügelten Worten zu sprechen: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben." Aus der aktuellen Sicht ist es notwendig, zu einem ausgewogenen Ausgleich zwischen den unterschiedlichsten Tätigkeiten zu finden. Schwarz- weiß Malerei oder gar Verbote bringen nichts.

Beitrag des Elternhauses


Die Eltern tragen im Erziehungsprozess die oberste Verantwortung für die Entwicklung ihrer Kinder. Während der schulischen Zeit ist es natürlich am besten, wenn eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Lehrerinnen und Lehrer besteht und sich stetig weiter entwickelt.
So wie in vielen Bereichen des familiären Zusammenlebens, so sollten auch beim Umgang mit den neuen Medien gewisse grundsätzliche Regeln gelten. Nur so kann eine Gemeinschaft funktionieren.

Hilfen bieten u. a. an:
» www.medienwerkstatt-online.de
» www.klicksafe.de/
» www.checked4you.de
» www.blinde-kuh.de/sicherheit/

Der Beitrag der Schulen


Einen großen Teil ihres Tages verbringen die Kinder in der Schule. Neben dem Lernen werden hier weiterhin teils langanhaltende Freundschaften geschlossen, Trends weiter gegeben oder Einstellungen geprägt. Das bezieht auch das Nutzen der digitalen Medien ein. Ein heute übliches Bild sieht häufig so aus: Vor Schulen oder in den Pausen stehen viele Schülerinnen und Schüler mit den neuesten Handys zusammen und kommunizieren oder beschaffen sich Informationen. Gleichzeitig sind sie ins Gespräch mit den Umstehenden vertieft. Eine völlig neue Kommunikationskultur. Dieser müssen wir uns stellen. Dabei gilt es zum einen den Umgang mit der Informationsflut zu erfahren und zum anderen Sinnvolle Regeln im bei der Nutzung der neun Kommunikationsmöglichkeiten am besten zu erstellen und anzuwenden.
Die deutschen Lehrpläne fordern ab der Grundschule die altersgemäße Einbeziehung der neuen Medien in den Unterricht. Auch wenn der Grad der Ausstattung von Schule zu Schule sehr unterschiedlich ist, darf dieser wichtige Aspekt im Unterricht nicht vergessen werden.
    Auswahl wichtiger Inhalte, die an Schulen vermittelt werden sollten sind u. a.:

  • Systematische Vermittlung von Grundkenntnissen im Umgang mit dem Computer
  • Keine Preisgabe persönlicher Daten, zum Beispiel:
  • - Adresse
    - Verwandte
    - Aussehen
    - Hobbys
    - Telefonnummer(n)
    - Email Adressen
    - Schulanschrift
    - keine Bilder
  • Benutzernamen und / Kennwörter möglichst so wählen, dass Rückschlüsse auf den Benutzer kaum möglich sind - Kombination zwischen Zahlen und Buchstaben
  • Benutzernamen und Kennwörter sicher aufbewahren und nicht an andere weiter geben
  • Verabredungen mit Partnern oder Freunden, die man nur aus den sozialen Netzwerken kennt, nicht durchführen
  • Emails mit unklarem Inhalt oder die Daten verlangen nicht beantworten, sondern ungelesen sofort löschen

Wandel in der Unterrichtsgestaltung
Neue oder veränderte Zeiten verlangen oft auch neue Wege. Wir haben heute Kinder vor uns sitzen, die eine völlig andere Kindheit erleben, als noch vor 5, 10 oder gar noch mehr Jahren. So funktioniert der Unterricht auch nicht mehr wie in der Vergangenheit. Öffnung des Unterrichtes, Projektarbeit, fächerverbindendes oder Fach übergreifendes Arbeiten sind einige der Wege. Jeder Einzelne sollte für sich und seine Kinder die bestmöglichen Formen finden und es wagen, neue Wege zu gehen.

Linktipps


Linktipps
» www.netzwelt.de/news/93140_99-kommentar-mythos-wissensgesellschaft.html
» www.bildungsserver.de/Medienkompetenz-2924.html
» http://carta.info/47569/zwischenbilanz-zu-spitzers-digitaledemenz

Quellen
(1)Manfred Spitzer, Digitale Demenz Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen, Droemer Verlag, München, 2012
(2) http://www.abendblatt.de/region/stormarn/article1473661/Alles-ist-digital-aber-was-bedeutet-das-eigentlich.html
(3) ebd.
(4) http://de.wikipedia.org/wiki/Gottfried_Wilhelm_Leibniz#Logik
(5) http://de.wikipedia.org/wiki/Demenz
(6) Manfred Spitzer, Digitale Demenz Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen, Droemer Verlag, München, 2012, Seite 293
(7) http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/1862673/
(8) http://de.wikipedia.org/wiki/Medienkompetenz
(9) ebd.
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Über den Autor/die Autorin
Autor Jörg Sauer

Jörg Sauer ist ausgebildeter Grundschullehrer und unterrichtet seit über 20 Jahren an einer Schule. Neben der Lehrertätigkeit führte er in den vergangenen Jahren zahlreiche Weiterbildungen über die Nutzung von Neuen Medien im Unterricht durch.

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