Handy-Nacken, SMS-Daumen und mangelnde Fitness ...

Entwicklung und Erziehung
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von Christine Kammerer
Smartphone, Tablet und E-Reader gehören heute zum Lebensalltag von Schülern. Doch die intensive Nutzung der kleinen mobilen Begleiter birgt erhebliche gesundheitliche Risiken...
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Smartphone, Tablet und E-Reader gehören heute zum Lebensalltag von Schülern. Doch die intensive Nutzung der kleinen mobilen Begleiter birgt erhebliche gesundheitliche Risiken: Studien zufolge leiden heute bereits 50 Prozent aller Schüler zwischen sieben und 14 Jahren und 60 Prozent aller acht- bis 18-Jährigen unter schwerwiegenden Haltungsproblemen. Dies ist insofern alarmierend, weil in diesem Alter das Wachstum und die Ausbildung der Körperstatik noch nicht abgeschlossen ist.

Die Flexibilität der Wirbelsäule ist bei Kindern und Jugendlichen noch sehr viel höher als bei Erwachsenen. Durch das oft stundenlange Verharren in unnatürlicher Haltung steigt die Gefahr, später an einem chronischen Rückenleiden zu erkranken, erheblich an. Zu den Ursachen für die zunehmenden Fehlhaltungen gehört neben der exzessiven Nutzung von mobilen Geräten auch der Bewegungsmangel, der häufig damit einher geht. Die Muskulatur bleibt unterentwickelt und kann das Knochengerüst nicht ausreichend stabilisieren.

Krummer Rücken und Gorilla-Arm

Wissenschaftliche Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Kinder und Jugendliche sich etwa zwei bis sechs Stunden täglich mit ihrem Smartphone beschäftigen. Sie sitzen, laufen stehen mit gesenktem Kopf, den Blick starr auf das Handy gerichtet. Der Körper ist während dieser Zeit gewissermaßen eingerollt, der Rücken gekrümmt, die Schultern hängen nach vorne, der Arm ist horizontal angewinkelt. Der Nacken wird in dieser Haltung sehr viel stärker belastet als in aufrechter Haltung. Mit dem Neigungswinkel des Kopfes nimmt auch die Belastung zu:

Blickt ein Nutzer aufs Display, senkt er seinen Kopf um bis zu 60 Grad. Das entspricht einer Belastung von bis zu 27 Kilogramm, die auf die Wirbelsäule einwirken. Aufgrund dieser anormalen Körperhaltung kommt es zwangsläufig zu Verspannungen in diesem Bereich. Schulter und Nacken werden zudem in dieser Position kontinuierlich überdehnt, die Brustmuskulatur verkürzt sich und dieses Ungleichgewicht in der Körperstatik wirkt sich wiederum ungünstig auf die Wirbelsäule aus. Kurzfristig kann dies zu Kopfschmerzen führen, langfristig riskieren exzessive Handy-Nutzer starke Rückenschmerzen und einen vorzeitigen Verschleiß der Bandscheiben.

Zunahme haltungsbedingter Erkrankungen erwartet

Doch damit nicht genug: Neben einer Schädigung der Wirbelsäule kann das permanente Tippen mit den Daumen eine schmerzhafte Sehnenscheidenentzündung auslösen, die Armhaltung führt zu Ermüdungserscheinungen, mitunter sogar zu Bewegungseinschränkungen und neurologischen Störungen. Zu den möglichen Folgen gehört auch der Maus- oder Gorilla-Arm - das Karpaltunnelsyndrom.

Hinzu kommt, dass viele Schüler an Bewegungsmangel leiden und ihren Alltag meist im Sitzen oder Liegen verbringen. "Je mehr ein Kind tagsüber sitzt und liegt, umso schwächer wird die Haltung und die Körperwahrnehmung", so Sportwissenschaftler Oliver Ludwig von der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. In den kommenden Jahren rechnen Orthopäden daher mit einem deutlichen Anstieg von haltungsbedingten Beschwerden.

Freude an der Bewegung vermitteln!

Der menschliche Körper ist auf Bewegung programmiert - am besten in aufrechter Haltung. Schon das lange Sitzen in der Schule bekommt ihm auf Dauer schlecht. Schüler sollten daher im Unterricht und zu Hause bei sitzenden Tätigkeiten immer wieder zu Ausgleichsbewegungen animiert werden. Dies kann zum Beispiel auf sehr einfache Weise geschehen, indem sie diese auf einem Pezziball verrichten.

Im Rahmen des Sportunterrichts an der Schule sollte eine regelmäßige Rückenschule, die das richtige Gehen, Stehen und Sitzen vermittelt, zum selbstverständlichen Repertoire gehören. Generell müssen die Konzepte für den Sportunterricht noch einmal überarbeitet werden, denn die Angebote sind heute oft einfach nicht mehr zeitgemäß. Sie führen viel zu oft zu Situationen, in denen gerade die Bewegungsmuffel - die Schwachen, die Dicken und die Langsamen wie von selbst aussortiert werden. Doch gerade für sie ist Sport wichtig, denn er ist vorbeugend, aber auch bei bereits bestehenden Beschwerden ein optimaler Ausgleich.

Schüler sollten kontinuierlich mindestens ein- bis zweimal die Woche ein sportliches Hobby betreiben. Die körperliche Aktivität setzt der einseitigen Körperhaltung eine Vielfalt von Bewegungsabläufen entgegen. Sie stärkt die Muskulatur und damit auch die Stabilität der Körperstatik insgesamt. Elternhaus und Schule sind dabei in der Pflicht, immer wieder aktiv Angebote zu machen und ihre Kinder zur regelmäßigen Bewegung zu motivieren. Dies ist schon deswegen sinnvoll, weil Schüler, die als Couch-Potatoes heranwachsen, später nur noch schwer für den Sport gewinnen lassen. Kinder und Jugendliche, die dagegen den Spaß an der Bewegung frühzeitig vermittelt bekommen, profitieren gesundheitlich sehr langfristig von diesen Maßnahmen.

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Über den Autor/die Autorin
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Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.

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