Erziehungsstile im Vergleich:

Klassisch, wie autoritär und laissez-faire, oder modern, wie Crunchy Mom und Attachment Parenting

Ein Elternpaar hält ihre Tochter im Arm und dabei ihre Hand
Entwicklung und Erziehung
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von Ulrike Lindner

„Du darfst den Jungen nicht schubsen.“ – „Aber er hat angefangen!“ Eine Mutter auf dem Spielplatz ringt mit sich: Eingreifen oder laufen lassen? Klare Ansage oder abwarten, ob sich das Kind selbst behauptet? Zwei Meter weiter zückt eine andere Mutter ein Bio-Brötchen und erklärt geduldig, warum Zucker „ganz schlecht für den Körper“ sei. Gleich daneben scrollt ein Vater durch einen Eltern-Account auf Instagram, der Tipps zum „respektvollen Familienalltag“ gibt.

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5 min

Willkommen im Erziehungsalltag des 21. Jahrhunderts. Kaum ist ein Kind auf der Welt, geht es los: Erziehungsratgeber, Gespräche mit Freunden, Posts bei Instagram – alle reden mit. Die einen schwören auf Bindung, die anderen auf Freiheit und Selbstständigkeit. Doch welcher Erziehungsstil passt wirklich zur eigenen Familie?

Die Antwort: Es gibt nicht den einen „richtigen“ Stil. Aber es lohnt sich, sich mit den verschiedenen Erziehungskonzepten – von klassisch bis modern – auseinanderzusetzen, um herauszufinden, was zum eigenen Stil passt.

Die klassischen Erziehungsstile im Überblick

Viele heute diskutierte Ansätze basieren auf der Forschung von Psycholog:innen wie Diana Baumrind oder Kurt Lewin. Ihre bekanntesten Kategorien helfen auch heute noch, das eigene Handeln einzuordnen:

1. Autoritärer Erziehungsstil

Klare Regeln, wenig Diskussion. Die autoritäre Erziehung war in Deutschland bis in die 1960er Jahre das vorherrschende Modell in der Kindererziehung. Darin haben die Eltern das Sagen – und zwar ohne Wenn und Aber. Regeln werden gesetzt, nicht erklärt. Belohnung und Bestrafung spielen eine große Rolle. Kinder entwickeln dabei oft ein hohes Maß an Disziplin und Pflichtgefühl. Allerdings bleibt wenig Raum für Selbstständigkeit und die Beziehung zwischen Eltern und Kindern entwickelt sich tendenziell eher distanziert. Studien zeigen zudem, dass Kinder unter diesem Stil häufiger ängstlich oder angepasst sind – aber seltener kreativ oder eigenverantwortlich.

2. Laissez-faire-Erziehung

Das andere Extrem: Kinder dürfen tun und lassen, was sie wollen – ohne klare Regeln oder Konsequenzen. Entscheidungen werden weitgehend den Kleinen überlassen, oft auch dann, wenn diese eigentlich noch Orientierung brauchen. Zu den Vorteilen dieses Erziehungsstils gehört, dass Kinder viel Freiraum genießen, der Platz für Kreativität, Selbstfindung und Individualität bietet. Eher negativ wird bewertet, dass es Kindern ohne Struktur schwerfallen kann, Grenzen zu akzeptieren, Konflikte zu lösen oder Verantwortung zu übernehmen.

3. Autoritativer (demokratischer) Stil

Der Mittelweg, den viele Expert:innen als besonders förderlich einstufen. Eltern setzen klare Regeln, erklären sie aber auch. Die Meinung des Kindes wird gehört, es darf mitentscheiden – allerdings nicht alles. Es geht um Wertschätzung und Führung, nicht um Gleichberechtigung auf Augenhöhe. So wachsen Kinder mit Verlässlichkeit und Vertrauen auf, entwickeln ein gesundes Selbstwertgefühl und lernen Verantwortung zu übernehmen. Allerdings kostet der demokratische Erziehungsstil manchmal mehr Zeit, Energie und Geduld – gerade in stressigen Phasen.

Moderne Erziehungsstile: Instagram lässt grüßen

Social Media hat neue Begrifflichkeiten für Erziehungsstile geschaffen, die bestimmte Werte in der Kindererziehung wie Sicherheit, Freiheit, Natürlichkeit, oder Kontrolle widerspiegeln. Manche werden eher mit Augenzwinkern betrachtet, manche mit voller Überzeugung gelebt. Das sind die bekanntesten Erziehungstypen:

Typ 1: Löwenmutter

Sie kämpft – mit E-Mails an die Schule, Gesprächen mit Trainer:innen oder der Wahl des besten Förderkurses. Immer im Einsatz, immer bereit, sich für ihre Kinder starkzumachen. Das gibt Sicherheit – um den Preis, dass Kinder von Löweneltern es weniger lernen, sich selbst zu behaupten oder Misserfolge auszuhalten.

Typ 2: Helikopter-Eltern

Seit einigen Jahren ein bekannter Begriff – die Helikopter-Eltern, die ständig über dem Kind kreisen und den Alltag minutiös durchplanen, um jederzeit eingreifen zu können, wenn Unheil droht. Sie wollen das Beste – doch das bedeutet auch, dass ihre Kinder kaum lernen, selbst zu navigieren.

Typ 3: Rasenmäher-Eltern

Sie sorgen dafür, dass es gar nicht erst zu Schwierigkeiten kommt: Konflikte werden im Vorfeld bereinigt, Hürden aus dem Weg geräumt. Ihre Kinder erleben dadurch kaum Frust – und entwickeln wenig Resilienz.

Typ 4: Crunchy Mom

Natürlichkeit ist bei ihr Trumpf: Stillen, Familienbett, Bio-Essen, Tragetuch. Mit ihrer „Zurück zur Natur“-Haltung kann sie mitunter dogmatisch wirken – muss es aber nicht. Oft ist die Crunchy Mom Teil einer lebendigen Community Gleichgesinnter.

Typ 5: Silky Mom

Technikfreundlich, pragmatisch und ganz ohne schlechtes Gewissen, wenn sie zum Gläschen statt zum selbstgekochten Pastinakenbrei greift. Für die Silky Mom ist Technik ist kein Feind, sondern Helfer. Das sorgt oft für ein entspanntes Familienleben ohne Perfektionismus, bringt ihr allerdings auch gelegentlich den Vorwurf mangelnder Nähe zu ihren Kindern ein – oft zu Unrecht.

Typ 5: Free-Range Parenting

Wer nach diesem Erziehungsstil vorgeht, traut Kindern viel zu: alleine zur Schule gehen, eigene Entscheidungen treffen. Ziel ist es, die Selbstständigkeit fördern. Dafür gebraucht wird viel Mut, die Kontrolle abzugeben.

Typ 6: Attachment Parenting

Hier ist Bindung ist das Fundament: viel Nähe, viel Körperkontakt, Co-Sleeping, Langzeitstillen, emotionale Feinfühligkeit. Das Attachment Parenting ist wissenschaftlich gut belegt. Schwierig wird es, wenn beim Versuch die Bedürfnisse der Kinder perfekt zu erfüllen, die eigenen zu kurz kommen.  

Welcher Erziehungsstil passt zu mir?

Oft werden diese Erziehungsstile gemischt. Ein bisschen Crunchy, ein wenig Silky und gelegentlich auch mal Free-Range. Das macht auch Sinn, denn jede Familie ist anders – und jedes Kind auch. Deshalb gibt es nicht den einen „richtigen“ Stil, sondern nur den, der zur eigenen Persönlichkeit, zum Kind und der individuellen Lebenssituation passt. Ein paar Reflexionsfragen helfen bei der Orientierung:

  • Wie wichtig sind mir Regeln und Strukturen?
  • Wie viel Freiraum möchte ich geben?
  • Welche Erziehung habe ich selbst erlebt – und wie hat sie mich geprägt?
  • Was braucht mein Kind, um sich sicher und frei zu fühlen?

Fazit: Haltung statt Methode

Ob Sie sich eher in der Löwenmutter, dem Crunchy-Milieu oder beim autoritativen Stil wiederfinden: Wichtig ist, dass Ihr Kind merkt, dass Sie es ernst nehmen, begleiten und stärken. Perfekt muss niemand sein. Aber zugewandt, interessiert und präsent – das ist schon die halbe Miete. Kinder brauchen Eltern, die zuhören, Grenzen setzen, Fehler eingestehen und sich auch mal über sich selbst lustig machen können. Denn Erziehung ist kein starres Modell. Sie ist ein Weg – voller Umwege, Überraschungen und manchmal auch mit einem Glas Saft auf dem Teppich.

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Themen:
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Über den Autor/die Autorin

Ulrike Lindner hat Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Hochschule der Künste, Berlin, studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin, Werbetexterin und Moderatorin.

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