Wie bringt man Kindern Demokratie bei?

Wissen und Bildung
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von Christine Kammerer
Demokratie, das ist im Wesentlichen die Möglichkeit zur Mitbestimmung in der Gemeinschaft innerhalb bestimmter vorgegebener Grenzen. Auch Kinder können bereits lernen, wie das funktioniert.
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Demokratie, das ist im Wesentlichen die Möglichkeit zur Mitbestimmung in der Gemeinschaft innerhalb bestimmter vorgegebener Grenzen. Auch Kinder können bereits lernen, wie das funktioniert - im frühesten Kindesalter durch Modelllernen und später, indem sie sich selbst mit ihrem eigenen Standpunkt einbringen. Als erste Lernorte für demokratische Prozesse dienen dabei Einrichtungen der Kinderbetreuung und im besten Falle die Familie selbst.

Kinderstube der Demokratie

Wir alle haben in den letzten Jahren eine Weisheit von Immanuel Kant (1724-1804) vollkommen neu entdeckt: „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt“. Diese Regel können auch Kinder schon verstehen und verinnerlichen - wenn man sie ihnen an konkreten Beispielen nahebringt. Indem man gemeinsam, jeweils nur auf die konkrete Situation bezogen und individuell zugeschnitten, innerhalb einer Gemeinschaft aushandelt, wo die Grenzen der Freiheit liegen und wer wem gegenüber verantwortlich ist. In Einrichtungen der Kinderbetreuung erleben Kinder in aller Regel zum ersten Mal außerhalb der eigenen Familie, wie eine Gemeinschaft zwischen Kindern und Erwachsenen funktioniert. Sie lernen die Regeln kennen und erleben, wie Entscheidungen getroffen werden und wer welchen Einfluss auf diese Prozesse hat. Sie machen auch die Erfahrung, dass sie selbst auf diese Entscheidungen Einfluss nehmen können und dass ihre Stimme gehört wird. Die Entscheidungen, die getroffen werden, beeinflussen ihren unmittelbaren Alltag und das Zusammenleben in der Gemeinschaft. Einrichtungen der Kinderbetreuung, die Demokratie als Leitprinzip anwenden, sind zugleich Lern- und Übungsfeld für gelebte demokratische Bildung.

Kita-Verfassung

Einige Einrichtungen der Kinderbetreuung haben sich eine eigene Kita-Verfassung gegeben, in der die Mitbestimmungsrechte der Kinder verbindlich festgeschrieben sind. Die Mitbestimmungsformen und deren Funktionsweisen werden genau benannt und es werden die Bereiche definiert, in denen die Kinder selbst bestimmen oder mitbestimmen können und wo das nicht möglich ist. Bei der Beteiligung kann man zwischen verschiedenen Formen wählen:

  • Kinderkonferenzen,
  • Erzähl- und Morgenkreise sowie
  • Kinderversammlungen.
Dieses sind offene Formen. Hier können die Kinder ihre Anliegen einbringen, diskutieren und damit unmittelbar Einfluss auf den Alltag nehmen. Die Moderation übernehmen Fachkräfte oder die Kinder selbst. Ein konkretes Beispiel ist ein Mittagessen, das von vielen Kindern nicht gegessen wurde. Nach dem Grund gefragt, stellt sich heraus, dass die Kinder jeweils unterschiedliche Zutaten nicht mögen. Die Konferenz beschließt, die Küche zu bitten, die Nahrungsmittel künftig so anzurichten, dass die Kinder selbst entscheiden können, welche Bestandteile sie wählen. Daneben gibt es repräsentative Beteiligungsformen wie den Kinderrat und das Kinderparlament. Die Delegierten werden von Kindergruppen gewählt. Sie treffen sich regelmäßig zu Besprechungen mit den Fachkräften, der Einrichtungsleitung und gegebenenfalls auch mit der Elternvertretung, um aktuelle Anliegen zu besprechen. Die Erfolge in der Praxis sprechen für sich: Die Kinder spüren, dass ihnen die Erwachsenen Vertrauen entgegenbringen. Sie dürfen in vielen Dingen aktiv mitentscheiden. Damit wächst auch ihre Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

Demokratische Kommunikation

Solange die Kinder noch nicht die Schule besuchen, sind spezielle Formen der Kommunikation notwendig: Einrichtungen der Kinderbetreuung, die bei der Demokratiebildung aktiv sind, verwenden hier eine Symbolsprache mit Zeichnungen, Piktogrammen und Fotos. Sie sollten für Kinder leicht verständlich sein und am besten gemeinsam mit ihnen vereinbart werden. Bei den Konferenzen und anderen Zusammenkünften wird auf eine gute Gesprächsführung geachtet, denn schon die Art, Fragen zu stellen, kann Konsequenzen für das Gelingen von demokratischen Prozessen haben. So sind Suggestivfragen, komplizierte Fragen und Warum-Fragen zu meiden, weil Kinder sie oft nicht beantworten können. Besser sind offene Fragen, damit Kinder ihre Gedanken frei einbringen können.

Fazit: Kinder an die Macht!

Es gibt bereits Studien zu den Lernerfolgen durch die verstärkte Partizipation: Kinder haben dadurch an Selbständigkeit und Selbstbewusstsein gewonnen und erfahren, dass ihnen zugehört wird und dass ihre Meinung wichtig ist. Sie haben gelernt, anderen zuzuhören, Probleme anzusprechen, andere Meinungen zu akzeptieren, mit anderen zusammen Lösungen zu finden, Entscheidungen zu treffen und gemeinsam aufgestellte Regeln einzuhalten. Sie haben auch gesehen, dass es zwar Regeln gibt, aber trotzdem nicht immer alles klappt. Diese Liste könnte man unendlich fortsetzen, aber unter dem Strich zeigt sich ganz klar, dass die Auswirkungen in betroffenen Einrichtungen durchschlagend waren. Die Kinder haben sich in ihrem Sozialverhalten positiv entwickelt und zugleich ihr Wissen in vielerlei Hinsicht erweitert.

Links

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Über den Autor/die Autorin
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Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.

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