Gesunde Angst - kranke Angst

Entwicklung und Erziehung
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von Christine Kammerer
Angst gehört wie Freude, Wut oder Ekel zu unserer genetischen Mitgift seit Urzeiten. Gefühle der Angst sind uns Menschen also angeboren wie Hunger oder Durst. Und sie haben eine wichtige Funktion: Angst kann mitunter überlebenswichtig sein. Sie schärft unsere Konzentration und richtet die Aufmerksamkeit gezielt auf die Bedrohung. Sie hilft uns, eine Gefahr zu erkennen und uns in Sicherheit zu bringen. Durch die Angst werden enorme Kraftreserven freigesetzt, damit wir der Bedrohung gewachsen sind und möglichst schnell angemessen handeln können.
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Angst gehört wie Freude, Wut oder Ekel zu unserer genetischen Mitgift seit Urzeiten. Gefühle der Angst sind uns Menschen also angeboren wie Hunger oder Durst. Und sie haben eine wichtige Funktion: Angst kann mitunter überlebenswichtig sein. Sie schärft unsere Konzentration und richtet die Aufmerksamkeit gezielt auf die Bedrohung. Sie hilft uns, eine Gefahr zu erkennen und uns in Sicherheit zu bringen. Durch die Angst werden enorme Kraftreserven freigesetzt, damit wir der Bedrohung gewachsen sind und möglichst schnell angemessen handeln können.

Flucht oder Kampf?

Unser Organismus hat eine Art Notfall-Programm für gefährliche Situationen entwickelt: die "Flucht-Kampf-Reaktion". Dabei spannen sich die Muskeln an und der Körper wird in eine erhöhte Alarmbereitschaft versetzt, damit er im Zweifelsfall schnell handeln kann. Alle Systeme bereiten sich auf die Flucht vor oder - sollte eine Flucht nicht mehr möglich sein - auf den Kampf.

Diese körperlichen Symptome können, müssen aber nicht auftreten bei der Flucht-Kampf-Reaktion. Manchmal ist auch nur ein Symptom bzw. sind einige wenige dominierend:
  • Schwitzen
  • Herzrasen
  • Verstärkte Atmung (Hyperventilation)
  • Enge-Gefühl in der Brust
  • Harn- und/oder Stuhldrang
  • Zittern
  • Übelkeit
  • Schwindel

Wann ist Angst angemessen?

Da sich die Angst in ganz unterschiedlichen Situationen zu Wort meldet, wird sie mitunter als abwegig, peinlich oder neurotisch empfunden. Zum Beispiel dann, wenn wir uns selbst kühles, sachliches und souveränes Handeln abverlangen und dazu dann aber nicht in der Lage sind, weil das Gefühl der Angst stärker ist: vor einem Rendezvous, einer Prüfung oder oder in einer Situation, die unser Gehirn als gefährlich einstuft. Wir sollten aber lernen, die Angst nicht als unwillkommenen Störenfried, sondern als Freund zu begreifen: sie hilft uns, besser im Alltag zurecht zu kommen.

Im Grunde muss man feststellen, dass es zwei Ausprägungen der „normalen Angst“ gibt, sofern man davon überhaupt sprechen kann:

1. die Angst lähmt, macht ohnmächtig oder versetzt den Betroffenen so in Panik, dass er nicht mehr angemessen reagieren kann oder

2. er empfindet angesichts einer real bedrohlichen Situation keine oder zu wenig Angst und kann dann ebenfalls nicht situationsgerecht handeln.

Oder anders herum: Wenn die Angst dabei hilft, echte Gefahren zu meiden, macht sie Sinn. Wenn man aber keinen Einfluss auf die Situation hat, sollte man sich wieder selbst beruhigen können. Auch klingt gesunde Angst nach einer gewissen Zeitspanne wieder ab, bei einer Angststörung nimmt das Gefühl der Angst dagegen zu. Sie beeinträchtigt den Alltag immer mehr und zwar so stark, dass die gewohnten Abläufe nach und nach in den Hintergrund treten. Angst wird dann zum Problem, wenn sie
  • immer mehr Zeit im Leben des Betroffenen einnimmt,
  • der Betroffene sie aus eigener Anstrengung nicht überwinden kann und
  • keine handfesten Ursachen oder Gründe dafür vorliegen.

Symptome einer Angststörung erkennen

Für andere wird eine Angststörung dann erkennbar, wenn sich der Betroffene
  • zunehmend aus dem Alltag zurück zieht und sich isoliert,
  • Orte und Situationen meidet, die ihm Angst machen.
Die meisten Menschen empfinden das Bedürfnis, sich unangenehmen Situationen zu entziehen. Das ist ganz normal. Wenn aber zunehmend auch alltägliche Wege und Situationen wie Einkaufen gehen, Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder das Treffen von Freunden gemieden werden, dann sollte man das Vorliegen einer Angststörung in Erwägung ziehen.

Ängste entstehen immer dann, wenn das Gehirn Situationen als gefährlich bewertet. Diese Bewertung findet in Bruchteilen von Sekunden statt und muss nicht immer den Tatsachen entsprechen und ist mitunter der Situation nicht angemessen. Es können scheinbare Kleinigkeiten und gefahrlose Situationen sein, auf die sich die Angst richtet wie Spinnen, Fahren mit dem Lift oder in den Keller gehen. Man muss den Alltag nicht sonderlich einschränken, um sie zu meiden. Doch erfahrungsgemäß haben solche Ängste die Tendenz, sich immer mehr auszuweiten.

Mit einer Verhaltenstherapie dem Teufelskreis entrinnen

Gefühle der Angst können also im Rahmen einer Angststörung durch scheinbar geringfügige Auslöser entstehen. Sie klingen auch nicht in einem angemessenen Zeitraum wieder ab, sondern bleiben oft lange bestehen. Diese Angstgefühle manifestieren sich gleichzeitig körperlich in Symptomen, wie sie bei der Flucht-Kampf-Reaktion beschrieb en wurden. Es kommt also zum Beispiel zu Herzrasen, Zittern und Beklemmungsgefühlen. Diese Symptome wiederum führen zu Gedanken wie "Ich drehe durch, ich verliere die Kontrolle." Mit der Konsequenz, dass die Angst zunimmt und die Symptome sich weiter verstärken. So kann sich aus der Angst eine Panikattacke entwickeln.

Patienten mit stark ausgeprägten Symptomen erhalten oft zunächst Medikamente. Um jedoch die Angststörung nachhaltig zu beheben ist meist auch eine Psychotherapie erforderlich. In der Regel wird hier eine Verhaltenstherapie das Mittel der Wahl sein, denn sie begegnet der Angst an der Wurzel. Der Betroffene wird dabei mit therapeutischer Unterstützung schrittweise mit seiner Angst konfrontiert und lernt, ihr zu begegnen und sie auszuhalten. Er kann die bis dahin angstauslösende Situation neu bewerten und feststellen, dass seine Angst unbegründet war.

Links

Grundformen der Angst von Fritz Riemann
https://www.lernando.de/artikel/978-3-497-02422-3/Grundformen-der-Angst-Eine-tiefenpsychologische-Studie

Gesunde Angst
http://www.netdoktor.at/krankheit/gesunde-angst-6672326

Ein Leben, erstarrt vor Todesangst
http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2013-10/angst-panik-psychologie-therapie

Angst: Wann ist sie berechtigt?
https://www.palverlag.de/panikattacken-kapitel6.html

Warum Angst für den Menschen so wichtig ist
https://www.welt.de/wissenschaft/article1958002/Warum-Angst-fuer-den-Menschen-so-wichtig-ist.html
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Über den Autor/die Autorin
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Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.

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