Versagensängste in der Schule

Wissen und Bildung
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von Hildegard Dierks
In unserer Gesellschaft zählen Leistung und Erfolg viel. Die Schule vermittelt Wissen, bildet und erzieht. Nicht zuletzt ist Schule ein Raum, in dem Schülerinnen und Schüler Leistung erbringen und sich dem Leistungsvergleich stellen. Leistung zeigen zu müssen, kann Leistungsdruck erzeugen und dieser wiederum provoziert bei einigen Versagensängste.
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In unserer Gesellschaft zählen Leistung und Erfolg viel. Die Schule vermittelt Wissen, bildet und erzieht. Nicht zuletzt ist Schule ein Raum, in dem Schülerinnen und Schüler Leistung erbringen und sich dem Leistungsvergleich stellen. Leistung zeigen zu müssen, kann Leistungsdruck erzeugen und dieser wiederum provoziert bei einigen Versagensängste. Schülerinnen und Schüler, die Versagensängste entwickeln, sind in der Regel Kinder, die sich stark mit den Zielen der Schule identifizieren, d. h. Kinder, die gute Leistung zeigen möchten oder deren Eltern hohe Leistungserwartungen an sie haben.

Psychische Reaktionen in der Schule


Schülerinnen und Schüler zeigen eine Vielzahl an psychischen Auffälligkeiten: Schulverweigerung, Klassenclownphänomen, Mobbing, körperliche Symptome wie Bauchschmerzen oder Kopfschmerzen vor Klassenarbeiten. Ängste zu versagen sind nur eine Form von Unwohlsein und sind manchmal die Ursache für anderes auffälliges Schülerverhalten. Leichte Formen der Versagensangst kennt jeder. Nur wenn Versagensangst so stark ausgeprägt ist, dass sie krank macht, eine reguläre Teilnahme am Unterrichtsprozedere nicht mehr möglich ist oder ein Schüler deutlich unter seinen Möglichkeiten bleibt, wird diese Angst zum Problem. Für Lehrer ist es nicht einfach empfindliche Schüler mit schlechtem Selbstwertgefühl und wenig Lernfreude aus Angst vor Versagen zu unterrichten. Im Unterricht muss es also zum Wohle aller Beteiligten darum gehen einer Ausweitung leichter Formen von Anspannung, die einer leisen Sorge vor Versagen gleichkommen, entgegen zu wirken. Bedingungen für Versagengsängste Angst ist eine psychologische Kraft, die unser Verhalten steuert. Sie lässt uns wachsam sein in tatsächlichen oder vermeintlichen Gefahrensituationen. Was empfinden Schüler als gefährlich in der Schule? Zunächst einmal ist es nach wie vor das uralte Problem schulischen Erwartungen entsprechen zu müssen, das einige ängstlich macht. In der Schule geht es darum mindestens passable, besser aber gute bis sehr gute Noten zu erreichen. Klassenarbeitstage und Prüfungstage sind entscheidend: Die Leistung, die in diesen Situationen gezeigt wird, zählt ein Vielfaches.

Schüler spüren die Erwartungen ihrer Eltern und Lehrer, strengen sich an, um den Erwachsenen zu gefallen oder um den Zuschlag für einen Praktikumsplatz oder Ausbildungsplatz zu bekommen. Prüfungsphasen und Schulübertrittsphasen wie beispielweise von der Grundschule zur weiterführenden Schule lassen Versagensängste verstärkt hervortreten. Schüler und Schülerinnen möchten allerdings nicht nur gute Noten bekommen sondern es geht ihnen auch darum sozial anerkannt zu werden. Anerkennung oder fehlende Anerkennung wird heute aus dem Klassenraum heraus in die sozialen Netzwerke des World Wide Webs getragen. Blamagen können also für einen Schüler zu einem globalem Ereignis werden und sind deshalb möglichst zu vermeiden. Auch in dieser Hinsicht möchte verständlicherweise niemand als Versager da stehen.

Entspannungsübungen gegen Versagensängste


Es ist wichtig Schülerinnen und Schüler mit Versagensängsten nicht allein zu lassen und ihre Ängste ernst zu nehmen. Mit dem Erlernen von Entspannungstechniken, beispielweise Autogenem Training, Yoga, Progressiver Muskelentspannung oder gezielten Atemübungen können versagensängstliche Schüler ihre Versagensangst aktiv kontrollieren und gut abmildern. Selbstverantwortung für ihr schulisches Wohlbefinden zu übernehmen, macht Schüler stark und selbstbewusst.

Entspannungsübungen gegen Versagensängste können als gemeinsames Ritual wöchentlich oder in besonders stressigen Phasen täglich in der Schule eingeübt und vollzogen werden. Manchmal bieten Krankenkassen Projekte zur Entspannung für Schüler an oder das örtliche Gesundheitsamt. Entspannungsübungen können nicht nur Versagensängste mildern, sondern wirken sich insgesamt günstig auf eine Vielzahl von Stresssymptomen in der Schule aus. Auch Lehrer profitieren davon, wenn gemeinsame Entspannungsübungen mit den Schüler eine gute Gewohnheit werden. Entspannungsübungen sollten im besten Fall bereits in der Grundschule zur Selbstverständlichkeit werden, damit Schüler sie im Bedarfsfall später abrufen können. Eine Entspannung wird in der Regel nur erzielt, wenn der Körper und die Seele die Techniken geübt hat.

Weitere Maßnahmen gegen Versagensängste


Versagensängstliche ältere Schülerinnen und Schüler, die gern schreiben, können ihre Ängste aufschreiben. Es gibt wissenschaftliche Hinweise dafür, dass das Aufschreiben von Ängsten befreit und eine bessere Konzentration auf die Aufgabe danach möglich ist. Eine wichtige Strategie gegen Versagensängste ist eine gute und rechtzeitige Vorbereitung von Klassenarbeiten. Das weiß ein jeder und dennoch hapert es oft daran. Im schulischen Alltag gehen Fragen der gezielten Vorbereitung einer Klausur oder einer Prüfung oft unter. Sie gehen jedoch fast alle Schüler etwas an. Wann sollte man mit der Vorbereitung beginnen, wie bereitet man eine Klausur vor? Möchte man sich gemeinsam vorbereiten oder allein? Auch ältere Schüler benötigen hier oft noch Strukturierungshilfen von Lehrern.

Auch eine genaue, offene Ursachenanalyse zur Entstehung der Versagensängste ist wichtig für einen konstruktiven Umgang. Passt der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben im Unterricht für einen Schüler und passt die Schulform? In welchen Situationen entstehen die Versagensängste und in welchen Fächern? Hat das Kind eventuell eine besondere Problematik, beispielweise Legasthenie, Dyskalkulie oder leidet es an ADHS? Hat das Kind traumatische Versagenssituationen gehabt? Bei sehr ausgeprägten Versagensängsten einzelner Kinder ist die Zusammenarbeit mit einem Schulpsychologen unerlässlich.

Versagen und Black-Out


„Hoffentlich habe ich keinen Black-Out in der Prüfung.“, äußert sich mancher Schüler mit Versagensangst vor Prüfungen. So oft wie befürchtet, kommt ein lang anhaltender Black-Out sicher nicht vor. In Prüfungssituationen ist ein Black-Out allerdings sehr unangenehm.

In Situationen, die einem viel abverlangen, werden große Mengen an Hormonen ausgeschüttet, zum Beispiel das Kortisol, erklärt der Leiter des Zoologischen Instituts der Technischen Universität Braunschweig Professor Dr. Martin Korte. Zunächst einmal sorgen die Hormone dafür, dass Gehirn und Muskeln bestens arbeiten und es zu einer Leistungssteigerung kommt. Die Hormone wirken auch auf die Hirnregion des Hippocampus, dem Teil des Gehirns, der unter anderem für die Abspeicherung von Information und Erinnerung verantwortlich ist. Werden zu viele Stresshormone ausgeschüttet, setzt ein Schutzmechanismusein ein: Die Hirnregion wird abgeschaltet, um eine irreversible Schädigung zu verhindern.

Man ist einer Black-Out-Situation jedoch nicht hilflos ausgeliefert. Schülerinnen und Schüler können zurückgehen zu der letzten Erinnerung und mit Entspannungsübungen die Überlastungssituation aufheben. Die Black-Out-Blockade löst sich, wenn man an etwas Schönes oder Beruhigendes denkt.

Nobody is Perfect: Kommentar


Gute Schulabschlüsse sind wichtig. Trotzdem dürfen wir nicht verkennen, dass ein Schüler auch ohne Abitur ein vollwertiges, verantwortungsbewusstes integriertes Mitglied unserer Gesellschaft sein kann. Herausragende akademische Leistungen halten nur teilweise unsere Gesellschaft zusammen und bringen sie voran. Mangelnde emotionale Intelligenz, fehlender guter Wille oder eine fehlende Herzensbildung lässt so manches Vorhaben scheitern. In der öffentlichen Diskussion wird dieses oft nicht deutlich. Stattdessen werden geradezu gebetsmühlenartig von einigen immer wieder die Schüler mit großen schulischen Defiziten thematisiert.

Versagensängstliche Schüler und ihre Eltern fühlen sich von diesem defizitären Schülerbild oft zu unrecht angesprochen. Der Alleskönner bleibt jedoch eine Utopie. Gelegentlich stellt sich allerdings eine ganz andere Frage, nämlich ob die Zahl der Schüler mit ausgeprägten Versagensängsten nicht im Gegensatz zu früher abnimmt? Sind nicht vielmehr sehr selbstbewusste Schülerinnen und Schüler, die für sich Versagen nicht im Portfolio ihres Lebens haben, im Kommen? Junge Erwachsene von heute bilden die Generation „sehr gut“, die schon in jungen Jahren fast die ganz Welt bereist haben.

Buch- und Linktipp


Buchtipp
  • Korte, M. Wie Kinder heute lernen.
    Goldmann München 2011
Linktipp
Materialien der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung zum Thema Schulstress
» https://www.dguv-lug.de/sekundarstufe-ii/stresskompetenz-arbeitsorganisation/umgang-mit-schulstress/ue/umgang-mit-schulstress/
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Über den Autor/die Autorin

Hildegard Dierks arbeitet seit vielen Jahren als Online-Autorin und Online-Redakteurin für verschiedene Zielgruppen, z.B. Eltern. Zu ihren Themenschwerpunkten zählen alle Themen rund um Grundschule, Fremdsprachenlernen, Musikerziehung, computergestütztes Lernen aber auch schulpolitische Themen.

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