Instrumente spielen lernen – Privater Unterricht oder Musikklassen in der Schule?
Instrumente spielen lernen – Privater Unterricht oder Musikklassen in der Schule?
Musikunterricht und Instrumentalunterricht sind Teil einer guten Bildung. Vielen Menschen ist es ein Bedürfnis selbst zu musizieren. Um ein Instrument spielen zu lernen, gibt es zum einen die Möglichkeit, eine der zahlreichen städtischen und privaten Musikschulen zu besuchen. Zum anderen bieten immer mehr Schulen zusätzlich zum regulären Musikunterricht sogenannte Musikklassen an.
Ob im privaten Musikunterricht oder in einer Musikklasse an der Schule – Kinder profitieren in vielerlei Hinsicht vom Erlernen eines Instruments. Beide Wege fördern musikalische Fähigkeiten, Konzentration und Kreativität, unterscheiden sich jedoch in Struktur, Intensität und individueller Förderung.
Für Eltern lohnt sich ein genauer Blick auf die jeweiligen Angebote, um die passende Lernform für ihr Kind zu finden.
In welchem Verhältnis stehen nun das Erlernen eines Instruments an einer Musikschule oder in einer Musikklasse? Hier erfahren Sie mehr dazu.
Was ist eine Musikklasse?
Wer ein Instrument spielen lernen wollte, tat dieses bis vor kurzem vor allem an einer städtischen oder privaten Musikschule. Nun wird Instrumentalunterricht immer häufiger in enger Zusammenarbeit mit dem Musikunterricht an Schulen, in sogenannten Musikklassen angeboten.
Der Begriff Musikklasse bezieht sich vor allem auf eine spezielle Form des Musikunterrichts in der Sek. I. In Musikklassen werden an einigen Schulen, neben dem regulären Musikunterricht in der Sekundarstufe I, zwei weitere Stunden Musikunterricht erteilt. In diesem Unterricht lernen Schülerinnen und Schüler ein Instrument zu spielen. In der ersten Zusatzstunde wird in kleinen Gruppen das jeweilige Instrument erlernt. In der zweiten Zusatzstunde wird in einem Klassenorchester gespielt.
Gesamtschulen, Realschulen oder Gymnasien mit Musikklassen suchen sich dazu Kooperationspartner vor Ort, z.B. Städtische Musikschulen oder Musikfakultäten naheliegender Universitäten, um diese Form des Musikunterrichts zu organisieren. Der Instrumentalunterricht wird meistens von den Lehrkräften der Kooperationspartner gegeben. In Musikklassen liegt ein besonderer Schwerpunkt darauf, dass das Instrument in der Gemeinschaft gespielt wird.
Beispiele aus der Praxis:
Das Gymnasium am Waldhof in Bielefeld bietet z.B. in Kooperation mit der Städtischen Kunst- und Musikschule Bielefeld eine Big-Band-Klasse an. Dabei handelt es sich um eine reguläre fünfte Klasse mit einem musikalischen Schwerpunkt. Die Schülerinnen und Schüler, die für diese Klasse angemeldet sind, lernen an der Städtischen Kunst- und Musikschule neu ein Instrument, das zur Big-Band passt: Schlagzeug, E-Gitarre, Keyboard, E-Bass, Saxophon, Posaune oder Trompete. Kinder, die bereits zuvor ein Instrument spielen gelernt haben, das zur Big-Band passt, können ebenfalls in dieser Klasse mitmachen. Von Beginn an wird eine Doppelstunde Musik zur Big-Band Probe in der Big Band-Klasse genutzt. Regelmäßig werden Konzerte und Auftritte dieser Musikklasse veranstaltet.
In Bayern macht sich seit Jahren mit deutlich zunehmendem Interesse das Projekt klasse.im.puls für Musiklassen an Mittelschulen und Realschulen stark. Auf der Website dieser Stiftung klasse.im.puls.de kann man Schulen finden, die in Bayern teilnehmen und Interessierte können Informationen für eine eigene Teilnahme an diesem Projekt erhalten.
Chancen von Musikklassen
Das gemeinsame Musizieren in Musikklassen ist mit vielen Chancen verbunden. Durch Musikklassen erlebt der gesamte Musikunterricht in der Sekundarstufe I eine Stärkung. Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich länger mit Musik und weitere fachliche Kompetenz von außen kommt durch den Instrumentalunterricht in die Schulen. Auch die städtischen und privaten Musikschulen können für ihre Arbeit durch eine Kooperation einen neuen oder anderen Schwerpunkt finden.
Da Schülerinnen und Schüler immer häufiger in der Schule in einen Ganztagsbetrieb eingebunden sind und häufig längere Anfahrtswege zur Schule haben, ist es vielen kaum mehr möglich, Instrumentalunterricht kontinuierlich am Nachmittag zusätzlich außerhalb der Schule zu organisieren. Musikklassen können eine Hilfe sein, wenn der Instrumentalunterricht auf Grund dieser Situation nicht ausfallen soll.
Durch die Teilnahme an einer Musikklasse können darüber hinaus auch die Kinder ein Instrument lernen, deren Eltern wenig zeitliches Extra-Engagement für die musikalische Bildung ihrer Kinder zeigen können.
Im Klassenensemble oder einer Band zu spielen, kann das Gemeinschaftsgefühl, die soziale und emotionale Kompetenz stärken. Es ist nicht einfach für Lehrerinnen und Lehrer verschiedene Problemlagen, die mit der Psyche der Kinder einhergehen, allein durch Gespräche aufzugreifen. Das gemeinsame Musizieren kann Hintergrund und Basis für eine positive Grundstimmung sein.
Musikklassen können dabei auch einen inklusiven Vorteil bieten: Kinder mit Sprachbarrieren, aus verschiedenen sozialen Schichten oder mit weiterem Förderbedarf profitieren von der Sprache der Musik, denn diese ist international und oft non-verbal. Mit Musik lassen sich Unterschiede überwinden.
Eine Schule, auf deren Schulfesten eine schuleigene Band spielt, ist ein angenehmer Lern-und Lebensort.
Was sind die Herausforderungen und Probleme von Musikklassen?
Musikklassen haben noch keine lange Tradition an deutschen Schulen. Noch ist es eine besondere Herausforderung alle Details zu organisieren, z.B. die Kooperation mit Musikpartnern und Geldgebern.
Der Instrumentalunterricht für die Musikklassen ist für Eltern und Schulen mit Extrakosten verbunden. Instrumente können meistens geliehen werden, zumindest vorübergehend für eine kleine Gebühr, wenn Sponsoren und Partner gefunden werden.
Die Schülerinnen und Schüler benötigen darüber hinaus auch für diesen Instrumentalunterricht Zeit zum Üben. Der Instrumentalunterricht allein und das Spielen im Ensemble reichen nicht aus, um eine gute Kompetenz im Umgang mit dem Instrument zu bekommen. Da viele Schülerinnen und Schüler täglich viel Zeit in der Schule verbringen, bleibt wenig Zeit außerhalb vom Schulbetrieb zum Instrument zu greifen.
Musikklassen fördern stärker eine breite musikalische Bildung. Der Instrumentalunterricht erfolgt meistens in kleinen Gruppen, nicht im Einzelunterricht. Einzelunterricht ist jedoch notwendig, soll eine individuelle Förderung auf einem höheren Niveau gelingen.
Die Schülerinnen und Schüler in Musiklassen sind meist mindestens 10 Jahre alt. Für den Beginn einer musikalischen Bildung wäre das ein relativ später Beginn. Deshalb ist die musikalische Früherziehung der städtischen und privaten Musikschulen, die bereits vor der Grundschule beginnt, nach wie vor wichtig, um in Musikklassen auf dieser Früherziehung aufzubauen.
Ein weiteres Beispiel aus der Praxis:
In den Grundschulen von NRW gibt es seit einigen Jahren deshalb eine Hinführung der Grundschülerinnen und Grundschüler zu Instrumenten. Dem Projekt der Stiftung JeKi („Jedem Kind ein Instrument“), folgt ganz neu JeKits („JeKits – Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen“). Die Arbeit der Stiftung JeKi und JeKits nahm seinen Anfang im Ruhrgebiet und wird inzwischen auf ganz Nordrhein-Westfalen ausgeweitet.
Kommentar: Nicht immer funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Musikschule und Musikklasse
Instrumentalunterricht an privaten und städtischen Musikschulen oder ein Instrument spielen lernen im Rahmen von Musikklassen ergänzen sich im Idealfall. Musiklehrerinnen und Musiklehrer von Musikschulen werden in die Musikklassen teilweise eingebunden. Im Einzelfall kann auf diese Weise, je nach Kooperationspartner, herausragende Instrumentalkompetenz in die Schulen kommen.
Leider entsteht nicht immer eine Zusammenarbeit zum Vorteil beider, stattdessen ein Konkurrenzverhältnis. Durch das Angebot an Musikklassen und den Ganztagsunterricht beklagen manche private Musikschulen, die keine Kooperation mit einer Schule eingehen können, einen Rückgang an Anmeldungen.
Befürworter von Musikklassen sehen im gemeinsamen Musizieren die große Stärke dieser schulischen Entwicklung, Kritiker bemängeln ihrerseits einen Rückgang an Qualität, da kaum eine individuelle Förderung im Umgang mit dem Instrument möglich sei.
Sicher fürchten private Musikschulen auch teilweise um ihr Geschäft, denn sie haben seit jeher Budget-Probleme. Entsprechend entstanden/entstehen dort bei beliebten Instrumenten Wartezeiten für Schülerinnen und Schüler.
Musikklassen: Vor- und Nachteile im Überblick
Vorteile:
- Musikalische Bildung ist Teil des Schulalltags – keine zusätzlichen Wege oder Termine nötig
- Förderung von Teamgeist und sozialem Lernen durch gemeinsames Musizieren
- Geringere Kosten für Eltern durch schulische Organisation
- Motivation durch das gemeinsame Lernen mit Freundinnen und Freunden
Nachteile:
- Weniger individuelle Förderung als im Einzelunterricht
- Begrenzte Auswahl an Instrumenten
- Lerntempo ist an die gesamte Klasse angepasst
- Unterrichtsqualität kann je nach Schule und Ausstattung variieren
Sollte Mein Kind privaten Musikunterricht nehmen?
Wenn Ihr Kind Interesse daran zeigt, ein Musikinstrument zu lernen, ist der Musikunterricht an einer Musikschule eine bewährte und strukturierte Möglichkeit, musikalische Grundlagen zu erlernen. Vor allem auch, wenn es an der Schule Ihres Kinds keine Musikklassen oder entsprechende AGs gibt.
In Deutschland sind Musikschulen meist kommunal oder privat organisiert und bieten qualifizierten Unterricht für Kinder jeden Alters. Der Unterricht findet in der Regel einmal pro Woche statt und kann als Einzel- oder Gruppenunterricht gestaltet sein.
Neben dem praktischen Spiel am Instrument wird auch Musiktheorie vermittelt, oft ergänzt durch Ensemblearbeit oder Orchesterprojekte, die das gemeinsame Musizieren fördern.
Viele Musikschulen folgen dem Lehrplan des Verbands deutscher Musikschulen (VdM), der eine systematische und altersgerechte Ausbildung sicherstellt.
Privatunterricht an Musikschulen: Vor- und Nachteile im Überblick
Vorteile:
- Individuelle Förderung durch Einzelunterricht
- Flexible Terminabsprachen möglich
- Persönliche Beziehung zwischen Lehrkraft und Schüler
- Schnelleres Lerntempo durch maßgeschneiderten Unterricht
Nachteile:
- Höhere Kosten im Vergleich zu Gruppenunterricht
- Weniger soziale Interaktion mit anderen Schülern
- Abhängigkeit von der Verfügbarkeit einzelner Lehrkräfte
- Weniger Möglichkeiten zur Teilnahme an Ensembles oder Schulprojekten
Welches Instrument sollte mein Kind lernen?
Bei der Auswahl des richtigen Instruments lohnt es sich, sowohl die Interessen als auch die körperlichen Voraussetzungen Ihres Kinds zu berücksichtigen. Manche Instrumente wie Geige oder Klavier eignen sich besonders gut für den Einstieg, da sie eine breite musikalische Grundlage bieten.
Wichtig ist auch, dass Ihr Kind das Instrument selbst ausprobieren kann – viele Musikschulen bieten sogenannte „Instrumentenkarussells“ oder Schnupperstunden an, bei denen verschiedene Instrumente getestet werden können. So lässt sich herausfinden, welches Instrument nicht nur gut klingt, sondern sich auch gut anfühlt.
Entscheidend ist letztlich, dass Ihr Kind Freude am Klang und am Spielen hat – denn Motivation ist der Schlüssel zum langfristigen Lernerfolg.
Diese 5 Schritte helfen Ihnen bei der Auswahl des richtigen Musikinstruments für Ihr Kind:
- Interesse und Neugier des Kindes beobachten – Welcher Klang gefällt dem Kind? Welche Instrumente faszinieren es?
- Körperliche Voraussetzungen berücksichtigen – Ist das Instrument altersgerecht und ergonomisch für Größe und Kraft des Kindes?
- Möglichkeiten zum Ausprobieren nutzen – Schnupperstunden oder Instrumentenkarussells helfen, ein Gefühl für verschiedene Instrumente zu bekommen.
- Praktikabilität im Alltag bedenken – Wie laut ist das Instrument? Wie viel Platz braucht es? Ist regelmäßiges Üben zu Hause möglich?
- Langfristige Perspektive einbeziehen – Gibt es Anschlussmöglichkeiten wie Ensembles, Orchester oder weiterführenden Unterricht?
Hildegard Dierks arbeitet seit vielen Jahren als Online-Autorin und Online-Redakteurin für verschiedene Zielgruppen, z.B. Eltern. Zu ihren Themenschwerpunkten zählen alle Themen rund um Grundschule, Fremdsprachenlernen, Musikerziehung, computergestütztes Lernen aber auch schulpolitische Themen.