Kreativität - von Bilderzupfern bis Querdenkern

Entwicklung und Erziehung
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von Dr. Birgit Ebbert
Eine Kernkompetenz für die erfolgreiche Bewältigung des Lebens - Tipps dazu finden Sie hier!
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6 min

Kreativität – mehr als Bilder zupfen und Kränze binden


"Kreativität" ist eine der Kernkompetenzen für die erfolgreiche Bewältigung des Lebens. Kaum eine Stellenausschreibung, in der nicht Kreativität gefordert wird, das Jahr 2009 wurde sogar zum Europäischen Jahr der Kreativität und Innovationen ausgerufen, die nur auf der Basis kreativer Prozesse entstehen können.

Kreativität ist weniger eine Tätigkeit und mehr eine Geisteshaltung oder Denkweise. Die Psychologie unterscheidet zwischen dem konvergenten Denken, das sich an Erfahrungen und festen Bahnen orientiert, und dem divergenten Denken, das rechts und links des bisherigen Weges Verknüpfungen sieht, die zu etwas Neuem führen können. Das genau ist Kreativität. Sie ist nicht an ein Material gebunden, sondern an einen Denkanstoß. Dieser führt nicht unbedingt innerhalb von 45 Minuten zu einem Ergebnis. Damit wirklich neue Ideen entstehen, ist ein kreativer Prozess erforderlich wie er in Kapitel 2 beschrieben wird. Doch nicht nur dieser kreative Prozess ist Voraussetzung dafür, dass eine kreative Idee entsteht. Ebenso wichtig ist eine offene Grundhaltung, sind Interesse und Neugier, das wird in Kapitel 3 erläutert.

Die Beschreibung lässt bereits vermuten, dass für Kreativität ein bestimmtes Umfeld erforderlich ist, das in einer Institution wie der Schule nicht immer gegeben ist. Daher finden Sie in Kapitel 4 Anregungen wie Sie Kreativität bei Schülern fördern und in Ihren Unterricht integrieren können. Falls Sie neugierig geworden sind und noch weiter in das Thema einsteigen möchten, können Sie auf die Internetseiten und Bücher zurückgreifen, die in Kapitel 5 vorgestellt werden.

Der kreative Prozess – von der Aufgabe bis zum Geistesblitz


Kreativität ist nötig, um neue Ideen zu kreieren und Innovationen zu entwickeln. Doch die entstehen nicht über Nacht, auch wenn sich Politiker das oft wünschen. Wichtig ist vielmehr, dass Kreativität bzw. die Ideenfindung mehrere Phasen durchläuft, die entscheidend für die Qualität der Idee sind. Insgesamt werden vier Phasen durchlaufen:

Vorbereitungsphase (Phase der Präparation)
Zunächst gilt es, sich das Problem, das gelöst, oder die Aufgabe, die bewältigt werden soll, vor Augen zu führen und diese für sich genau zu definieren. Dies erfolgt meist im Kopf, wenn es um die Entwicklung im Rahmen eines Projekts, einer Gruppe oder eines Unternehmens geht auch oft schriftlich, damit alle die gleich Ausgangsinformation haben. Entscheidend ist, dass die Beteiligten die Aufgabe verstanden haben und wissen, was von ihnen erwartet wird. Meist ist es nötig, dass noch Informationen beschafft werden, Bücher, die mit der Aufgabe zu tun haben, werden angeschaut und es wird im Internet gesurft.

Verborgene Arbeit im Kopf (Inkubation)
Diese Phase scheint eine Phase der Faulheit zu sein. Nach außen hin passiert gar nicht, Schüler, Lehrer o. ä. beschäftigen sich mit ganz anderen Dingen, sowohl körperlich als auch geistig. Und dennoch ist gerade diese Phase von entscheidender Bedeutung für den kreativen Prozess und das Ergebnis. Es ist sogar wichtig, nicht bewusst an das Thema zu denken. Das Gehirn arbeitet im Hintergrund, gleich die Aufgabenstellung mit bisherigen Erfahrungen und Kenntnissen ab und liegt wie ein Dunstschleier immer über dem Denken.

Der Aha-Gedanke (Phase der Illumination)
Das, was sich in der Inkubationszeit entwickelt, kommt irgendwann zum Vorschein. Das kann ganz unerwartet passieren, kurz vor dem Einschlafen, auf der Autofahrt, beim Spülen oder unter der Dusche. Meist taucht der Aha-Gedanke auf, wenn der Denker entspannt ist und die Aufgabe völlig vergessen hat. Kreative Menschen haben daher meist Zettel und Stift oder ein Diktiergerät parat, damit der Gedanke nicht verloren geht.

Bewertung der Idee (Phase der Verifikation)
Im nächsten Schritt werden die Ideen bewertet, je nach Umfeld, in dem die Aufgabe gestellt wurde, geschieht dies von dem Denker alleine oder in einer Gruppe, mit dem Lehrer, dem Vorgesetzten etc. Dabei geht es selbstverständlich auch darum, ob und wie die Idee zur Aufgabe passt, oftmals entstehen dadurch weitere Ideen und unter Umständen beginnt sogar eine neue Phase der Inkubation, an deren Ende womöglich die wirklich geniale Idee steht.

Voraussetzungen für Kreativität – Offenheit und Zeit


Kreativität ist nicht in jedem Umfeld leicht zu ertragen. Entweder leiden die Menschen, die Angst vor neuen Wegen haben und versuchen das kreative, divergente Denken zu verhindern, oder es leiden die kreativen Menschen, weil sie am Denken gehindert werden oder ihre Ideen als Unfug abgetan werden. Beispiele dafür finden sich in Biografien namhafter Erfinder, Künstler oder Autoren genug. Das heißt, die Rahmenbedingungen können die Kreativität und vor allem die Entwicklung des kreativen Denkens beeinflussen.

Ein Kind, das immer wieder verlacht oder gar getadelt wird, weil es ausgefallene Ideen hat, wird sich in sich selbst zurückziehen und irgendwann wird u. U. die Kreativität verkümmern oder sie wird in andere Kanäle gelenkt, z. B. die Kriminalität. Solche Rahmenbedingungen sind:
  • Offenheit für Unbekanntes - ob es von einem Professor oder einem Schüler kommt
  • Zeit zum Denken und inneren Bearbeiten einer Aufgabe
  • Flexibilität, wenn ein neuer Lösungsweg anders ist, aber doch Erfolg verspricht
  • Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, jeder Mensch kann quer denken, er muss es nur wagen
  • Eine entspannte Atmosphäre, in denen auch ausgefallene Dinge nicht belacht, sondern sogar gelobt werden, und in der Fehler als Ausgangspunkt für eine kreative Idee und nicht als Makel gesehen werden.
  • Neugier und Interesse an neuen Dingen, vor allem an denen, die rechts und links des Weges liegen und nicht direkt vor der Nase geradeaus
All diese Fähigkeiten entwickeln Kinder vom ersten Lebenstag an. Eltern und Lehrer haben die Aufgabe, sie zu fördern und nicht zu beschränken - so anstrengend scheinbar unsinnige Ideen und merkwürdige Fragen auch sein mögen.

Kreativität in der Schule – Raum für Querdenker


Schon Begriffe wie "Curriculum" und "Lehrplan" deuten an, dass der Raum für Kreativität im oben beschriebenen Sinne in der Schule klein ist. Wo das nächste Thema und die nächste Prüfung oder Lernstandserhebung warten, haben weder Lehrer noch Schüler Geduld und Nerven auf den Aha-Gedanken zu warten.
Dennoch ist es durchaus möglich, bei manch einer Textanalyse auch abwegige Ideen zuzulassen. Auch wenn sie im ersten Moment nicht zum Konzept passen, erfahren die Schüler, wenn sie nach der Herkunft ihrer Idee gefragt werden, dass Erfindergeist nicht eine Frage des spontanen Wortes, sondern des Hin- und Herwendens eines Gedankens ist.

Vielleicht gelingt es ja auch durch kreative Aufgaben zu Schulbeginn oder Offenheit für neue Ideen und ungewöhnliche Fragen die Kreativität der Schüler anzukurbeln, gerade die Tage vor den Ferien oder Zeugnissen bieten häufig Zeit dafür.

Stellen Sie Schreib-, Mal- oder Bastelaufgaben, in denen Dinge miteinander kombiniert werden, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Aufsatzthemen wie "Warum Kaninchen keinen Schmuck tragen" oder "Warum Ameisen keine Eisenbahnschienen verlegen können" hören sich erst einmal verrückt an, doch die Schüler haben nach dem ersten Schreck Spaß daran, sich darüber Gedanken zu machen. Und wie sähe das eigentlich aus, wenn Harry Potter auf Spongebob trifft. Da beginnen die Gehirne der Schüler zu rattern und der kreative Prozess kommt in Gang, ohne dass es jemand merkt.

Schließlich können kreative Methoden wie Mindmap immer dann eingesetzt werden, wenn Ideen benötigt werden, ob das für die Klassenfahrt oder das Schulfest ist, das Geschenk für die Lehrerin oder die Einrichtung des Klassenraums.

Wichtig ist, dass Sie selbst neugierig und offen sind, lassen Sie sich überraschen von dem Ideenreichtum Ihrer Schüler, wenn sie endlich einmal danach gefragt werden.

Literatur

  • Mihaly Csikszentmihalyi:
    Kreativität: Wie Sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden.
    Stuttgart: Klett Cotta 2007 - Standardwerk zum Thema "Kreativität"
  • Daniel Golemann:
    Kreativität entdecken.
    München: Hanser 1997 - Denkanregungen zur Entdeckung der Kreativität bei sich selbst, bei Kindern und am Arbeitsplatz
  • Hartmut von Hentig:
    Kreativität: Hohe Erwartungen an einen schwachen Begriff.
    Weinheim: Beltz 2000 - Auseinandersetzung mit dem was, die Gesellschaft unter Kreativität verstehen möchte und was nicht
  • Howard Gardner:
    Kreative Intelligenz. Was wir mit Mozart, Freud, Woolf und Gandhi gemeinsam haben.
    Frankfurt: Campus 1999 - Essay über die Ausprägungen der Kreativität
  • Constanze Kirchner/Georg Peez:
    Kreativität in der Grundschule erfolgreich fördern.
    Braunschweig: Westermann 2009 - Sammlung aktueller Forschungsergebnisse, Projekte und Materialien zur Einbindung von Kreativitätsförderung in den Unterricht
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Über den Autor/die Autorin

Dr. Birgit Ebbert ist freie Autorin und als Diplom-Pädagogin seit vielen Jahren in der Elternarbeit und Lehrerfortbildung tätig. Neben Kinderbüchern und Krimis schreibt sie Elternratgeber, Lernhilfen, Vorlesegeschichten und Bücher über kreatives Arbeiten mit Papier.

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