Jungen und Lesen

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von Alexandra von Plüskow - Kaminski

Zuerst die gute Nachricht: Im Rahmen der PISA-Studie aus dem Jahr 2015 zeichnet sich ab, dass die Differenz im Bereich der Lesekompetenz zwischen weiblichen Leserinnen im jugendlichen Alter zu männlichen jugendlichen Lesern deutlich abnimmt. Und dennoch: Jungen lesen anders.

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Zuerst die gute Nachricht: Im Rahmen der PISA-Studie aus dem Jahr 2015 zeichnet sich ab, dass die Differenz im Bereich der Lesekompetenz zwischen weiblichen Leserinnen im jugendlichen Alter zu männlichen jugendlichen Lesern deutlich abnimmt. Und dennoch: Jungen lesen anders. Was Sie zu Hause tun können, um eine nachhaltige Lesemotivation bei Ihrem Sohn auszubilden und zu erhalten, lesen Sie im folgenden Beitrag.

Gelingende Lesebiographien

Schon früh beginnen Kinder damit, zu „lesen.“ Etwa, indem sie einen Lesenden imitieren und so tun, „als ob“ sie lesen würden. Dies ist häufig bei Kindern im Krippen- und Kindergartenalter zu beobachten. Später, im Grundschulalter setzen sich die Kinder zunächst mit der Technik des Lesens auseinander, entwickeln eine Leseflüssigkeit, um dann zum sinnentnehmenden und auch genussvollen Lesen zu gelangen.

Bedeutsam hierbei ist, dass die Entwicklung einer Lesekompetenz immer Gemeinsamkeit voraussetzt. Sei es etwa durch das Vorlesen von Bilderbüchern und Vorlesebüchern, später das gemeinsame Lesen von Büchern, die den Neigungen des Kindes entsprechen und im Anschluss daran durch den Austausch über das Gelesene.

Lesen mit Jungen

Professorin Christine Garbe beschreibt „fünf Achsen der Differenz“, die auch langfristig Unterschiede in Lesemotivation und Lesegewohnheiten zwischen Mädchen/ Frauen und Jungen/ Männern kennzeichnen.

Zunächst bezieht sie sich auf die Lesequantität. Mädchen und Frauen lesen mehr und länger als Jungen. Auch in den Lesevorlieben unterscheiden sich Mädchen von Jungen. Mögen Jungen eher spannende, abenteuerreiche Bücher und Sach- bzw. Fachbücher, so mögen Mädchen gern Fiktion. Dadurch kennzeichnet sich auch die Art und Weise, wie Jungen lesen. Nämlich so, dass sie „eher sachbezogen und distanziert“ lesen. In puncto Lesefreude haben die Mädchen die Nase vorn. Das kommt u.a. daher, dass Jungen gern in ihrer Freizeit anderen Beschäftigungen nachgehen oder auch neue Medien nutzen. Und auch in der Lesekompetenz scheint sich zwar inzwischen diese für die Jungen zu bessern, doch stehen sie immer noch hinter den Mädchen zurück.
 

Literacy fördern

Um nachhaltige Lesegewohnheiten und eine stabile Lesemotivation zu entwickeln, braucht es zunächst eine ausgeprägte Literacy-Erfahrung. Diese sammeln Jungen schon sehr früh im Elternhaus. Seien Sie sich Ihrer Vorbildfunktion bewusst und reflektieren Sie über Ihr eigenes Leseverhalten. Sieht Ihr Kind Sie häufig lesend, in ein Buch oder eine Zeitung vertieft? Gestalten Sie daheim schon mit Kleinkindern feste Vorlesezeiten. Hierfür eignen sich besonders gut stabile Papp-Bilderbücher und Bücher mit Fühlelementen sowie Wimmelbilderbücher, über die man rasch in den Dialog kommt. Später gibt es Bücher zum gemeinsamen Lesen. Diese sind entweder in einer Erstleseschrift gedruckt oder aber die Schrittgrößen variieren abschnittweise, sodass das Elternteil die kleingedruckten Stellen vorlesen können, und das Kind die größer gedruckten Abschnitte.
Positive Leseerlebnisse und eine ausgeprägte Literacy sind einerseits für die Sprachkompetenz Ihres Sohnes, aber auch für die Lesekompetenz von großer Bedeutung.

Vom Bilderbuch ausgehend lernt Ihr Kind so zunächst, einer Erzählhandlung mit der Unterstützung der Bilder zu folgen und sich einen Geschichtenzusammenhang zu erschließen. Ein gemeinsames „Weiterspinnen“ der Geschichte ist zum Beispiel sehr beliebt bei Kindergarten- und Grundschulkindern.
Die Fähigkeit die Erzählhandlung zu verfolgen ist bedeutsam, um auch komplexere Bücher in ihrem Zusammenhang zu verstehen.

Leseflüssigkeit unterstützen

Der Leselehrgang in der Grundschule umfasst das erste und zweite Schuljahr. Innerhalb dieser Zeit lernen die Kinder die Technik des Lesens und trainieren diese Schritt für Schritt. Ziel ist das Erreichen einer Leseflüssigkeit. Das heißt, dass die Kinder Wörter exakt und automatisch entschlüsseln können, dass sie angemessen schnell lesen können und auch betont vorlesen können. Hier unterstützen Sie Ihr Kind daheim zum Beispiel durch gemeinsames lautes Vorlesen von altersgerechten Büchern, die Ihr Kind interessieren.

Sie können also abwechselnd vorlesen oder ein Buch zu einem kleinen Dialog umschreiben und diesen Dialog szenisch lesen.

Die passende Lektüre

Mit Blick auf die Lesevorlieben von Jungen sollte nach Professorin Garbe unbedingt Rücksicht auf diese genommen werden. Dafür sollten Sie in den Dialog mit Ihrem Sohn treten. Was mag er besonders an Büchern? Sind es eher abenteuerliche Geschichten, Comic-Romane oder Sachbücher? Mag er gern Zeitschriften oder Zeitungen? Möchte er evtl. gern einmal ein Buch über sein Tablet lesen?

Beraten werden Sie und Ihr Sohn in öffentlichen Büchereien, in Buchhandlungen und online. So etwa finden Sie spezielle Buchrezensionen, die sich (auch) an Jungen wenden, auf der Webseite des Projektes boysandbooks: https://www.boysandbooks.de/

Das Projekt wendet sich an Leseförderer und Lehrkräfte in Schulen, aber auch unbedingt an Eltern von Jungen. Hier finden Sie Lesetipps für Jungen im Alter von acht bis achtzehn Jahren. Ins Leben gerufen wurde das Projekt bereits 2012 von Prof. Dr. Christine Garbe in Zusammenarbeit mit dem Kinder- und Jugendbuchautoren Frank Maria Reifenberg.

Den „Leseknick“ überstehen

Der „Leseknick“ bezeichnet die Phase im Leben, die mit der Zeit der Pubertät beginnt. In dieser Phase wenden sich die jugendlichen Leserinnen und Leser vom Lesen ab. Auch wenn Jungen von diesem „Leseknick“ stärker betroffen sind als Mädchen, bedeutet dies nicht, dass sie fortan ungern zum Buch greifen. Im Erwachsenenalter kommen einige von ihnen dann doch gerne auf die Lektüre eines Buches zurück. Und bedeutsam ist an dieser Stelle die positive Lesegewohnheit, die sie schon früh ausgeprägt haben. Ganz nach dem Motto: „Was Hänschen nicht lernt …“

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Über den Autor/die Autorin
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Alexandra von Plüskow-Kaminski hat mehr als 20 Jahre als Grundschullehrerin gearbeitet und war als Fachberaterin tätig. Dabei war sie u.a. zuständig für die Übergänge von der Kita in die Grundschule und von der Grundschule in die weiterführende Schule. Seit März 2022 koordiniert sie das Sprachbildungszentrum Lüneburg.

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