Jugendliche wollen mehr Finanzunterricht

Wissen und Bildung
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von Christine Kammerer
Das Thema Finanzen wird in den meisten Schulen immer noch recht stiefmütterlich behandelt. Zugegeben - dank der öffentlichen Diskussion hat sich in den letzten Jahren schon einiges bewegt. Dennoch haben Rückfragen bei den Jugendlichen selbst ergeben, dass sich immerhin 89 Prozent von ihnen im Unterricht mehr konkrete Inhalte zu den Themengebieten Wirtschaft und Finanzen wünschen. Und fast alle würden es begrüßen, wenn es ein Fach „Finanzwissen“ in der Schule gäbe.
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Es ist inzwischen fast schon ein alter Hut: Mehr als 90 Prozent aller Deutschen glauben, dass man heutzutage unbedingt eine umfassende Finanzbildung haben sollte. Doch bei der ganz konkreten Umsetzung gibt es offenbar einige grundlegende Probleme. Das Thema Finanzen wird in den meisten Schulen immer noch recht stiefmütterlich behandelt. Zugegeben - dank der öffentlichen Diskussion hat sich in den letzten Jahren schon einiges bewegt. Dennoch haben Rückfragen bei den Jugendlichen selbst ergeben, dass sich immerhin 89 Prozent von ihnen im Unterricht mehr konkrete Inhalte zu den Themengebieten Wirtschaft und Finanzen wünschen. Und fast alle würden es begrüßen, wenn es ein Fach „Finanzwissen“ in der Schule gäbe. 44 Prozent wollen es sogar als Pflichtfach und 51 Prozent als Wahlfach. Grund genug, einmal der Frage nachzugehen: Wie steht es eigentlich um die Umsetzung des Beschlusses der Kultusministerkonferenz im Hinblick auf das Fach Verbraucherbildung aus dem Jahr 2013?

Mangelndes Finanzwissen mit gravierenden Folgen

Umfragen zeigen: Wenn es um finanzielle Dinge geht, ist es um das Wissen der Deutschen schlecht bestellt. Schlechter sogar als um das der meisten anderen Europäer. Vor allem Jugendliche und junge Leute zwischen 16 und 25 Jahren klagen über mangelnde Kenntnisse in den Bereichen Wirtschaft und Finanzen. Nur acht Prozent von ihnen trauen sich gemäß einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa sehr gute bis gute Finanzkompetenzen zu. Zwei Drittel geben sich selbst nur die Note „befriedigend bis ausreichend“ und immerhin ein Viertel bezeichnet die eigenen Fähigkeiten als „mangelhaft bis ungenügend“. Sie erkennen deutlich, dass sie auf diesen Gebieten erhebliche Defizite haben. Und das, obwohl das Wissen in vielen Zusammenhängen des Alltags mehr als notwendig wäre. Zum Beispiel im Hinblick auf die Verträge, die man rund um die Handynutzung abschließt, Versicherungen oder das eigene Bankkonto. Aber auch im Hinblick auf die Vorsorge für das Alter, die sie ja nach den gebetsmühlenartigen Absichtsbekundungen der Regierungsverantwortlichen zunehmend selbst in die Hand nehmen sollen.

Die Unkenntnis wirtschaftlicher Zusammenhänge und die Unfähigkeit die richtigen finanziellen Entscheidungen zu treffen kann gravierende Folgen haben. Das zeigt sich an der zunehmenden Verschuldung insbesondere junger Haushalte: Der typische Überschuldete ist zu Beginn der Schuldnerberatung zwischen 25 und 45 Jahre alt. Menschen in diesem Alter sind doppelt so häufig von Schulden betroffen wie der Rest der Gesamtbevölkerung.

Probleme bei der Umsetzung in die Schul-Praxis

2013 beschlossen die Kultusminister der Länder, die
  • Verbraucherbildung an Schulen zu stärken und
  • fächerübergreifend besser in den Unterricht zu integrieren.
Die Kultusministerkonferenz hat mit diesem Beschluss jedoch nur den Anstoß gegeben, damit das große Thema Verbraucherbildung bundesweit in den Schulen verankert werden kann. In einigen Bundesländern wurden diesbezüglich auch schon konkrete Strukturen entwickelt. Allerdings haben auch heute noch nicht alle Bundesländer die Entscheidung umgesetzt. Es fehlt häufig an entsprechend qualifizierten Lehrern und falls sie tatsächlich vorhanden sind, haben sie oft gar nicht die Zeit, Materialien zur Finanzbildung für den Unterricht aufzubereiten.

Die Folge: Je nach Bundesland sind die Inhalte der Lehrpläne zum Thema Verbraucherbildung höchst unterschiedlich. Einzelne Themen aus dem großen Spektrum werden zwar im Rahmen verschiedener anderer Fächer oder Projekte angesprochen, aber meist besteht kein spezielles Curriculum mit ganz konkretem Bezug.

Improvisation: Erklär-Videos und Schülerfirmen

Bis ein solches Curriculum vorliegt, muss in vielen Schulen improvisiert werden. Die Vermittlung von Finanzwissen kann gleichzeitig spielerisch und praxisnah erfolgen, indem man sich auf bereits umfassend vorhandenes Material stützt wie Erklär-Videos im Internet. Wenn Jugendliche selbst solche Filme erstellen, werden sie von den Angehörigen ihrer eigenen Altersgruppe als besonders überzeugend und glaubwürdig empfunden. Das ist zum Beispiel beim Kanal „Finanzchecker“ der Fall. Hier haben Azubis aus den Branchen Banken und Versicherungen einer Berufsschule in Nürnberg selbst Hand angelegt und Themen wie Versicherungen, Kredite, Schufa, Kontoführung etc. für das Internet aufbereitet. Zu den Videoclips gibt es auch eine Website mit zahlreichen Tipps zum unterstützenden Einsatz im Unterricht mit Tests zur Erfolgskontrolle, Anleitungen zum Anfertigen eigener Erklärfilme und vieles mehr.

Auch Schülerfirmen können ein Weg sein, den Jugendlichen Finanzwissen zu vermitteln. Schülerfirmen fördern nicht nur das das ökonomische Lernen, sondern gleichzeitig auch die Selbsttätigkeit, Teamfähigkeit und Eigenverantwortung der Schüler. Man muss jedoch auch darauf achten, dass externe Unternehmen nicht zu viel Einfluss darauf nehmen.

Fazit: Finanzbildung als Schnittstellen-Thema

Es sieht im Augenblick nicht danach aus, als ob wir bald auf eine systematische und übergreifende Lösung hoffen dürfen. Dazu gibt es schlicht zu viele Baustellen im Bereich des Schulwesens. Und das bedeutet für die Praxis: Improvisation ist auch weiterhin gefragt! Zum Glück ist für die Vermittlung von Wissen aus den Bereichen Wirtschaft und Finanzen fast überall Platz. Beinahe jedes Fachgebiet hat auch Schnittstellen zu diesem Wissensgebiet. Geeignete Bezüge zum eigenen Lehrplan finden Interessierte unter anderem auf den Seiten des Schulportals für Verbraucherbildung. Dieses listet eine Reihe von Fortbildungsangeboten und Materialien für die einzelnen Bundesländer auf. Es stellt zudem Schulen vor, die für ihre Projekte im Zusammenhang mit der Verbraucherbildung ausgezeichnet wurden. Außerdem beinhaltet es eine Übersicht von Best-Practice Beispielen bei der Umsetzung bestimmter Themen im Unterricht wie Ernährung oder nachhaltiger Konsum.

Links

Studie zum Finanzwissen: Zu selten ein Thema im Unterricht

Junge Leute wollen mehr über Finanzen wissen

Jugendliche wünschen sich Finanzwissen als Schulfach

Jugendliche fühlen sich beim Thema Geld unsicher – den Eltern geht es oft ähnlich

Deutsche sind häufiger überschuldet

Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12.09.2013

Schülerfirmen – Ein Mittel zur wirtschaftlichen Mündigkeit?

Lehrplanbezüge, Unterstützungsangebote und Best-Practice-Beispiele auf einen Blick

Youtube-Kanal „Finanzchecker“: Finanzwissen für Jugendliche

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Über den Autor/die Autorin
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Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.

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