Leben mit dem Terrorismus in Deutschland

Entwicklung und Erziehung
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von Christine Kammerer
Die Furcht vor einem terroristischen Akt ist derzeit die größte Angst der Deutschen. 73 Prozent – also fast drei Viertel aller Bürger - fürchten sich vor Anschlägen. Durch das Attentat auf dem Berliner Weihnachtsmarkt hat diese Angst weiter Nahrung bekommen. Und sie ist durchaus berechtigt, denn es herrscht tatsächlich auch weiterhin eine hohe abstrakte Terrorgefahr.
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Die Furcht vor einem terroristischen Akt ist derzeit die größte Angst der Deutschen. 73 Prozent – also fast drei Viertel aller Bürger - fürchten sich vor Anschlägen. Durch das Attentat auf dem Berliner Weihnachtsmarkt hat diese Angst weiter Nahrung bekommen. Und sie ist durchaus berechtigt, denn es herrscht tatsächlich auch weiterhin eine hohe abstrakte Terrorgefahr.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hielt es schon vor dem Anschlag für möglich, dass Attentäter jederzeit und überall zuschlagen könnten und diese Gefahr besteht auch weiterhin. Andererseits ist die Wahrscheinlichkeit, beim Spazierengehen von einem herabfallenden Ziegel getroffen zu werden, nach wie vor sehr viel größer als die, Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden. Panikmache ist also trotz der jüngsten Ereignisse in Berlin fehl am Platz. Dennoch müssen wir uns mit der Terrorgefahr auseinandersetzen, um Wege zu finden, wie wir mit Kindern und Jugendlichen sachlich über die konkrete Bedrohungssituation sprechen können. Wir sollten ihnen Möglichkeiten an die Hand geben, mit der Situation und ihren diesbezüglichen Sorgen und Ängsten zu Recht zu kommen. Wir sollten sie aber gleichzeitig über mögliche Folgen einer allzu radikalen Terrorismusbekämpfung aufklären wie zum Beispiel massive Beschneidungen von Persönlichkeitsrechten.

Wie sicher ist Deutschland?

Auch wenn es vordergründig nach einer simplen Frage klingt – sie lässt sich so einfach nicht beantworten. Sicherheit ist ein subjektives Gefühl und bezeichnet im Allgemeinen einen Zustand, der frei von Risiken oder Gefahren ist. Terroranschläge treten jedoch immer unvermittelt und niemals vorhersehbar auf. Gerade die Anschläge von Einzeltätern sind dabei vollkommen unberechenbar. Die Sicherheitslage kann sich also von einem Augenblick zum anderen vollständig verändern. Die Gefahr ist nicht messbar und das Risiko eines Anschlags ist jederzeit gegeben. Messen lässt sich lediglich das subjektive Gefühl der Bedrohung.

"Die Zukunft kann niemand vorhersagen", so Risikoforscher Prof. Gerd Gigerenzer, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Auch wenn jetzt die Terrorgefahr womöglich steige, weil der IS auch in Deutschland aktiv werden könnte, "leben wir hier in den sichersten Zeiten überhaupt".

Ist die Angst der Deutschen berechtigt?

Die Angst der Deutschen vor einem Terroranschlag hat 2016 im Vergleich zum Vorjahr nach den Aussagen entsprechender Untersuchungen, die regelmäßig durchgeführt werden, dramatisch zugenommen und zwar um 21 Prozent. Und das bereits vor dem Anschlag in Berlin. Sie lag damit erstmals an der Spitze vor allen anderen Ängsten und Sorgen. Genau darauf zielen aber die Terroranschläge ab. Es geht weniger darum, möglichst viele Menschen zu töten, sondern darum, Angst und Schrecken in der Gesellschaft zu verbreiten und sie zu spalten, indem man Stimmung gegen die dort lebenden Muslime macht.

Wir sollten die Ängste der Menschen ernst nehmen und ihnen sachlich entgegen treten, denn nur Fakten können Sorgen entkräften. Wir sollten uns allerdings auch vor Augen halten, dass – wie jeder Unternehmer weiß - gewisse Risiken im Leben unumgänglich sind und dies als grundlegende Gegebenheit akzeptieren. Jedes mal wenn wir in das Auto einsteigen, riskieren wir einen Unfall. Und die Wahrscheinlichkeit im Straßenverkehr zu verunglücken ist sogar sehr viel höher, als die bei einem Terroranschlag zu Schaden zu kommen. Eine Abschottung gegen alle Gefahren ist also weder möglich noch wünschenswert. Eine freie und offene globalisierte Gesellschaft birgt immer Risiken, aber eben auch Chancen.

Verändert der Terror unser Leben?

Die meisten werden ihr Verhalten im Alltag kurzzeitig als Reaktion auf einen Anschlag verändern und dann wieder zu ihren alten Gewohnheiten zurück kehren. Es sind jedoch auch Eingriffe in die persönliche Freiheit denkbar, die unsere Gesellschaft insgesamt nachhaltig verändern könnten. Viele Menschen haben Angst und einige populistische Politiker wie zum Beispiel auch Donald Trump nähren diese Ängste ganz bewusst, da es in ihrem Interesse liegt, alle Vorgänge in der Gesellschaft möglichst stark zu kontrollieren.

Unter dem Eindruck der Bedrohung sind viele Menschen bereit, Freiheiten zu opfern, die in Deutschland lange als selbstverständlich und unantastbar galten. Das betrifft zum Beispiel den Schutz persönlicher Daten und die Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen. Israelische Behörden haben schon lange einen beinahe vollumfänglichen Zugriff auf die private Kommunikation. Das wäre bei uns mit einer massiven Einschränkung der Persönlichkeitsrechte verbunden. Gegen eine solche haben sich die meisten Bürger bis vor kurzem noch massiv gewhert und in weiten Teilen der Bevölkerung tun sie das immer noch. Schon deswegen, weil Taten von Einzeltätern so nicht verhindert werden können.

Doch die Haltung der Deutschen in dieser Frage verändert sich und man wird in Zukunft verstärkt darüber diskutieren müssen, wie viel Freiheit wir bereit sind preiszugeben. Der Soziologe Wolfgang Bonß von der Universität der Bundeswehr in München warnt: „Für die Bürger in Deutschland geht eine größere Bedrohung davon aus, dass sie nicht mehr wissen, wer ihre Daten speichert und wofür sie verwendet werden, als von den Aktivitäten Krimineller oder Terroristen.“

Fazit: Dem Terror konstruktiv begegnen

Terroranschläge kann man weder vorhersagen noch vollständig verhindern. Man kann also auch die Bedrohung nicht reduzieren, denn so Gigerenzer: "Französische Schulen haben nach den Anschlägen von Paris vorigen Jahres ihren Schülern das Rauchen im Schulgelände erlaubt. Weil auf der Straße ja die Terrorgefahr höher sei. Das ist angesichts der hohen Todeszahlen durch das Rauchen aber definitiv eine Fehleinschätzung. Jede Zigarette mehr ist gefährlicher."

Wir können also nur versuchen, dem Terror konstruktiv zu begegnen und lernen, mit der Unsicherheit zu leben und uns von unseren Sorgen und Ängsten im Alltag nicht allzu sehr einschränken zu lassen. Außerdem sollten wir unsere Freiheit schützen und bewahren und deswegen nicht vorschnell unsere Persönlichkeitsrechte opfern.

Und wir sollten vor allem nicht den Islam insgesamt dafür schmähen, dass einige wenige Muslime sich in einer Art und Weise radikalisiert haben, die der ansonsten friedlichen Religion fremd ist. Wir sollten im Gegenteil noch viel stärker als heute den Austausch mit anderen Kulturen suchen, denn nur so lernen wir einander besser verstehen und können gemeinsam Konflikte lösen und Missverständnisse aus der Welt schaffen.

Links

Wir müssen mit dem Terror leben – wie gelingt das, ohne durchzudrehen?
http://www.focus.de/politik/deutschland/israel-koennte-vorbild-sein-wir-muessen-mit-dem-terror-leben-wie-gelingt-das-ohne-durchzudrehen_id_5751428.html

"Lernen, mit der Unsicherheit zu leben"
http://www.zeit.de/wissen/2015-02/terrorismus-sicherheit-forschung-deutschland

Das Echo des Terrors. Wie hoch ist das Risiko eines Anschlages wirklich? Und was kann ich dagegen tun?
http://www.jetzt.de/terrorismus/wie-hoch-ist-das-risiko-eines-terroranschlages-wirklich

R+V-Studie „Die Ängste der Deutschen 2016“
https://www.ruv.de/presse/aengste-der-deutschen

Wir haben keine Angst
http://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2015-11/generation-y-angst-deutschland-einwanderer
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Über den Autor/die Autorin
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Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.

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