Die hundert Sprachen der Kinder - Reggio-Pädagogik

Wissen und Bildung
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von Ulrike Lindner
Im Zentrum der Philosophie von Reggio steht das wahrnehmende und lernende Kind, das sich aktiv mit seiner Umgebung auseinandersetzt und seine Erfahrungen in "100 Sprachen" äußert...
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Die Reggio-Pädagogik ist nach der italienischen Stadt Reggio Emilia benannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich in den dortigen Kindergärten eine neue Erziehungsphilosophie, die maßgeblich von dem Pädagogen und Psychologen Loris Malaguzzi geprägt wurde. Heute ist das Konzept weltweit anerkannt und verbreitet. Im Zentrum der Philosophie von Reggio steht das wahrnehmende und lernende Kind, das sich aktiv mit seiner Umgebung auseinandersetzt und seine Erfahrungen in "100 Sprachen" äußert. Zu diesen 100 Sprachen des Kindes gehören neben der realen Sprache unter anderem das Tanzen, Singen, Rollenspiel oder Entdecken.

Kinder sind selbst aktiv

Zentraler Gedanke der Reggio-Pädagogik ist, dass Kinder ihre Welt selbst erforschen und entdecken. Um ihre Erfahrungen zu machen und zu lernen, werden ihnen keine fertigen Lösungen präsentiert. Stattdessen werden Materialien und Räume bereit gestellt, in denen jedes Kind seine eigene Ausdrucksform finden kann. In den Reggio-Kindergärten verstehen sich Erzieherinnen als so Begleiterinnen, die Kinder in ihrer natürlichen Wissbegierde und Neugier unterstützen, sie aber nicht anleiten. Erziehung findet danach in einem gemeinsamen Prozess statt, in dem das Kind als "Konstrukteur seiner Entwicklung und seines Wissens" betrachtet wird.

Womit sich die Kinder beschäftigen, bestimmen sie selbst. Diese Entscheidung ist Teil der pädagogischen Philosophie. So kommt es zwar auch zu Leerlauf und Langeweile, häufiger entstehen aus den Interessen der Kinder und ihrem Forschungsdrang aber kleinere oder größere Projekte. Darin beschäftigen sich die Kinder dann mit einem Thema, das sie selbst eingebracht haben - zum Beispiel Regenbogen, Tiere, Jahreszeiten oder vieles mehr. Projek-te sind kleinere oder größere Lerneinheiten, die ausgehend von den oft zufälligen Impulsen der Kinder Alltagserfahrungen aufgreifen und bearbeiten.

Der Raum als 3. Erzieher

Eine wichtige Rolle kommt in einem Reggio-Kindergarten den Räumlichkeiten zu. Der Raum wird als "dritter Erzieher" gesehen, der durch seine Gestaltung und Raumaufteilung zu Erfahrungen anregt, Gelerntes zeigt und Rückzugsort ist. So gehört es zum Konzept, dass die Aktivitäten und Lernprozesse der Kinder auf den "sprechenden Wänden" des Kindergartens mit Plakaten und Fotos dokumentiert und ausgehängt werden. Kinder haben damit ihre (Lern-) Erfahrungen vor Augen und können sie weiter nachvollziehen und reflektieren. Als Wandschmuck dienen neben den Fotos und Projektdokumentationen der Kinder auch Spiegel, um sich selbst im Raum zu verorten, sowie wie Kunstdrucke, Plastiken, farbige Lichtquellen oder andere ästhetische, die Sinne anregende Materialien. Der Raum soll, auch das ist Teil der Idee, die Umgebung der Kinder widerspiegeln und ihre Alltagserfahrungen aufgreifen.

Angelehnt an ein italienisches Dorf verfügen Reggio-Kindergärten zudem über einen zentralen Platz ("Piazza") als Treffpunkt, von dem Werkstätten, Bewegungsräume, Ruhe- und Rückzugsräume und Ateliers abgehen. Der Raum soll Kinder anregen, Erfahrungen in vielen Bereichen zu sammeln und sich auf unterschiedliche Weise auszudrücken. So werden Kinder als Forscher und Wissenschaftler betrachtet, denen ausreichend Materialien zur Verfügung gestellt werden, um ihrem Entdeckerdrang nachzugehen. Im Reggio-Kindergarten finden sich deshalb vielleicht Rohre und Schläuche, Bretter, Kisten, Taschenlampen und Spiegel für Lichtspiele, Lupen, Fernrohre oder Mikroskope. Alles kann benutzt werden, um Erfahrungen zu sammeln und Dinge zu erforschen. Auch dem künstlerischen Gestalten und der Bewegung als ausdrucksform kommt großer Raum zu. In den Ateliers finden die Kinder vielfältige Materialien, um sich künstlerisch zu betätigen, sowohl zum Malen, als auch zum handwerklichen Gestalten mit Ton, Holz, Stein und vielem mehr.
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Themen:
Reggio
Pädagogik
Kindergarten
Über den Autor/die Autorin

Ulrike Lindner hat Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Hochschule der Künste, Berlin, studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin, Werbetexterin und Moderatorin.

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