DSDS - Fankult unter Jugendlichen

Entwicklung und Erziehung
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von Christine Kammerer
Fankult ist keine Erfindung der Neuzeit. Stars und Sternchen sind heute das, was in der Antike die Helden waren. Verehrt wurden damals Krieger, Sportler und Gladiatoren. Das Außergewöhnliche hat Menschen schon immer fasziniert, ob dies nun die Faszination des Grotesken oder tatsächlich außergewöhnliche Leistungen waren.
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Fankult in Antike und Gegenwart

Der Fankult scheint einem Grundbedürfnis der Menschen zu entspringen, dessen psychologische Grundstrukturen sich über die Jahrtausende hinweg nicht allzu sehr verändert haben.

Die Veranstaltungen in der Antike, zum Beispiel Olympiaden, so Medienpsychologe und Fan-Forscher Dr. Martin Huppert, seien durchaus vergleichbar gewesen mit den heutigen Events: Es gab die Heldenverehrung ebenso wie Nachbildungen der Sportler und selbst Ausschreitungen während der Spiele waren damals schon bekannt.

Auch die Fans der Gladiatoren bastelten bereits Figuren, die ihre Vorbilder en miniature abbildeten. Durch diese Nachbildungen sollte eine Nähe zum Idol hergestellt werden, die Stärke der Kämpfer färbte so gewissermaßen auf ihre Bewunderer ab. Er identifiziert sich mit seinem Helden und empfindet die Möglichkeit der Identifikation als etwas Wohltuendes - sie stärkt sein eigenes Ego. Er hat teil an einem größeren Ganzen und geht - wenigstens für die Dauer der Spiele - auf in seiner Zugehörigkeit zu einer gleich gesinnten Gruppe anderer Fans.

Drei Dinge sind es, die den Fan auszeichnen

Er baut eine soziale Beziehung zu seinem “Helden” auf, er investiert Zeit - und heute durchaus auch ziemlich viel Geld zum Beispiel in Eintrittskarten und die Anreise zu Konzerten - und er widmet sich seinem Hobby mit Leidenschaft und Emotion.

Die Objekte der Verehrung sind sehr viel zahlreicher und vielfältiger geworden, doch sie entstammen wie auch bei DSDS häufig der Popmusikszene, wohl weil “Musik einen Bezug zur Lebensrealität der Jugendlichen hat und dass sich der Jugendliche in der Musik und den Texten wiedererkennt", so Huppert. Von großer Bedeutung ist dabei auch die Erfahrung der Gruppenzusammengehörigkeit, denn "der Jugendliche kann in einer Fanszene Geborgenheit, Orientierung und Stabilisierung finden. Außerdem wird durch die Übernahme von Modetrends und Interessen ein neues Lebensgefühl entwickelt, das er mit anderen Gleichaltrigen teilen kann." Diese Erfahrung ist gerade für Teenager sehr wichtig, da sie in ihrem familiären und schulischen Umfeld häufig Konflikte mit älteren Bezugspersonen erleben, sich aber gleichzeitig nach Harmonie in der Gemeinschaft sehnen.

Fankultur und Pubertät

Jugendliche sind naturgemäß besonders anfällig für den Fankult. Sie befinden sich während der Pubertät in einer Phase der Neuorientierung mit dem Ziel der endgültigen Loslösung aus dem Elternhaus.

Auf dem Weg zu Autonomie und Eigenständigkeit suchen sie Identifikationsmöglichkeiten. Ihre Vorbilder und Idole finden sie vor allem in ihren peer groups und in den Medien. Jugendliche können in dieser „Beziehung“ auf Zeit und auf Distanz ohne Risiko ihre Gefühle ausleben. Sie genießen die Illusion von Intimität und Nähe, denn gerade die Unerreichbarkeit macht ihre Helden so außergewöhnlich und sie erleben diese Beziehung als bereichernd und wohltuend.

Jugendliche projizieren ihre Träume und Ideale auf Objekte, die diese besonders gut zu verkörpern scheinen und werden dabei nicht selten Opfer ihres eigenen Wunschdenkens: Sie schreiben dem Idol Eigenschaften zu, die ihnen besonders erstrebenswert erscheinen und verehren es fortan für diese Zuschreibungen. Formate wie DSDS machen sich eben diese psychologischen Mechanismen zu Nutze, um ihre Produktionen erfolgreich zu vermarkten.

Idole ohne Identität

Viele der modernen Stars werden erst durch die Fernsehsender synthetisch aufgebaut, wobei Talent oder musikalische Fähigkeiten meist nicht die entscheidenden Kriterien sind. Sie durchlaufen auf dem Weg zum vermeintlichen Ruhm verschiedene Phasen wie Castings, Interviewtrainings etc. Ihre Persönlichkeit wird systematisch geformt und genau darin liegt der Unterschied zu den Helden der Geschichte und modernen Selfmade-Stars, denn diese wurden und werden gerade wegen ihrer Persönlichkeit verehrt und nicht etwa deswegen, weil sie je nach den Erwartungen der Produzenten und des Publikums mühelos die Identität wechseln konnten. Dies führt dazu, dass die Persönlichkeit der geklonten Stars i. d. R. wenig ausgeprägt ist und damit ist der tiefe Sturz nach einem manchmal kometenhaften Aufstieg oft auch schon vorgezeichnet.

Fankult setzt eine gewisse Bindung an den Star voraus, doch die Bindung der Fans an die hochgejubelten Sternchen ist so gering wie ihre mediale Halbwertszeit. Das Publikum wird tagtäglich via Fernsehen und Internet mit Bildern und Informationen über die Kandidaten regelrecht bombardiert. Sensationen bestimmten das Tagesgeschäft - das Geheimnisvolle, das sich für gewöhnlich um echte Publikumslieblinge rankt und jene Faszination ausübt, welche die eigentliche Bindung der Fans an ihre Idole bewirkt, schwindet rapide dahin.

Die Stars der Casting-Shows sind in Wirklichkeit „Wegwerfprodukte“ der Medienindustrie, die auf dauerhaften Ruhm praktisch keine Chance haben, weil sie innerhalb kürzester Zeit verschlissen werden. Am Phänomen DSDS lassen sich auch die beiden Begriffe Idol und Vorbild, die häufig durcheinander geworfen werden, sehr deutlich unterscheiden: Das Vorbild gibt ein Beispiel für eigenes Verhalten, es genießt aufgrund seiner Eigenheiten oder Fähigkeiten hohes Ansehen und wird deswegen meist ganz bewusst gewählt.

Das Idol dagegen ist lediglich Projektionsfläche und wird eher von Jugendlichen angenommen, die sehr wenig Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten haben.

Helden kommen und gehen, Freunde bleiben

Nur in seltenen Ausnahmefällen nimmt der Fankult extreme Ausmaße an. In der Regel flacht das Interesse der Fans an ihren Helden spätestens mit dem Ende der Pubertät ab - wenn die eigene Persönlichkeit und Individualität weitergehen entwickelt und die Herausforderung der sozialen Integration gelungen ist.

Bis dahin hat die enge - wenn auch einseitige - Beziehung zum Vorbild auf Zeit häufig sogar eine stabilisierende Wirkung. Was bleibt sind positive Gemeinschaftserfahrungen. Freundschaften, die geschlossen wurden, als das verbindende Element noch die Fanbeziehung war, überdauern diese nicht selten, und haben auch dann noch Bestand, wenn das Interesse am Objekt der Bewunderung längst Geschichte ist.

Links

Teenagerfans - Pubertät, Träume und die Stars

Rein, Stefan: Fankultur - Untersuchung von Wechselwirkungen zwischen Fan und Popkultur und der Versuch einer Begriffsdefinition

Scheller-Bötschi, Eva: Fankultur - Eine Übersicht über Begrifflichkeit und Forschung

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Über den Autor/die Autorin
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Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.

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