Geschichte lernen mit Kinderbüchern

Entwicklung und Erziehung
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von Dr. Birgit Ebbert
Lange Zeit herrschte die Meinung vor, Geschichte im historischen Sinne könnte in der Grundschule noch nicht thematisiert werden, weil Kinder zunächst ein Verständnis für die Zeit entwickeln müssten. Diese Auffassung hat sich inzwischen geändert, schon in der Kita wird das Zeitverständnis in den Zusammenhang mit Veränderungen in der Umwelt gestellt, die oft zwangsläufig zu historischen Fragestellungen führt.
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Historisches Lernen ab dem ersten Schuljahr


Lange Zeit herrschte die Meinung vor, Geschichte im historischen Sinne könnte in der Grundschule noch nicht thematisiert werden, weil Kinder zunächst ein Verständnis für die Zeit entwickeln müssten. Diese Auffassung hat sich inzwischen geändert, schon in der Kita wird das Zeitverständnis in den Zusammenhang mit Veränderungen in der Umwelt gestellt, die oft zwangsläufig zu historischen Fragestellungen führt. Auch die Erkenntnis, dass Kinder dann am effektivsten lernen, wenn ein Lernthema von ihnen selbst erkannt und eingebracht wurde, weist den Weg dahin, historische Themen schon ab der Grundschule aufzugreifen, begegnet den Kindern in Medien, in Museen, in Gesprächen mit Großeltern, beim Abriss von alten Gebäuden die Frage nach historischen Zusammenhängen.

Die Methoden sind sicher unterschiedlich in einem Sachunterricht der Grundschule und einem Geschichtsunterricht der weiterführenden Schule. Das Prinzip und die Ziele bleiben jedoch gleich. Es geht darum, die Schüler dazu zu bringen, sich Gedanken über die Veränderbarkeit der Welt und der Menschen zu machen, diese aber auch im Zusammenhang mit den jeweiligen Lebensumständen zu sehen und ihr Interesse an diesen Fragen zu wecken. Dabei sollen sie Methoden wie die Erschließung von historischen Quellen kennen lernen und das Wissen über eine Chronologie der Entwicklung der großen und kleinen Welten aufbauen.

Viele historische Themen sind für Schüler abstrakt und nicht verständlich, hier können Kinderbücher eine Brücke sein, zum einen Kinderromane, in denen Geschichten aus anderen Zeiten erzählt werden. Dass Kinder ein großes Interesse daran haben, zeigt nicht zuletzt der Erfolg einer Reihe wie "Das magische Baumhaus", in der die Kinder - eingebettet in eine wiederkehrende Rahmenhandlung - u. a. in vergangene Zeiten geführt werden. In Kapitel 2 wird auf diese Bücher näher eingegangen. Eine andere Möglichkeit, die im Mittelpunkt von Kapitel 3 steht, sind Sachbücher zu historischen Themen, die den Schülern ermöglichen, erste Quellenstudien zu betreiben. Auch wenn es sich bei den Texten um Primärquellen handelt, lernen sie dort doch bereits, Texte zu erschließen und die Informationen zu hinterfragen und in die Großchronologie einzuordnen. In Kapitel 4 finden Sie Hinweise auf weiterführende Internetseiten und Bücher, die sich mit dem Thema befassen.

Kinderromane mit historischem Bezug


Kinder lernen nicht nur das, was ihnen Lehrer in der Schule vermitteln möchten. Schulischer Lernstoff begegnet ihnen mehr oder weniger in Medien, die sie in der Freizeit nutzen. Kinderbücher sind hier als Leitmedium ausgewählt worden, weil sie häufig Basis-Medium für Adaptionen in Hörbücher, Gesellschaftsspiele, digitale Spiele und Filme sind. Für alle Medien trifft zu, dass sie - sofern sie historische Themen aufgreifen - nebenher Wissen vermitteln, auf das Kinder und Jugendliche häufig besser zurückgreifen können als auf das in der Schule theoretisch vermittelte Wissen.

Der Einsatz dieser Medien in den Unterricht hat also einen doppelten Effekt, er macht den Schülern mehr Spaß als die Arbeit mit Arbeitsblättern, Tabellen oder Textauszügen, weil die Geschichten näher an ihrem Leben sind, und die Schüler lernen, dass sie die dort vermittelten Informationen überprüfen und hinterfragen müssen, ehe sie sie als Tatsachen abspeichern können.

Zu manchen Buchreihen wie "Die Zeitdetektive" gibt es daher inzwischen spezielle Handbücher, in denen die historischen Fakten aus den Büchern erläutert und vertieft werden.

Die Auswahl der Bücher hängt von vielen Faktoren ab, allen voran, ob es zum gewählten Thema überhaupt ein Buch gibt. Zu manchen historischen Ereignissen wie dem Holocaust gibt es eine Fülle von Einzel-Kinderbüchern, sie ermöglichen es, ein konkretes Ereignis aufzugreifen, zu hinterfragen und einzuordnen. Daneben finden sich in den Buchreihen eher Bücher, in denen Epochen wie "Das alte Rom" oder "Ägypten" thematisiert werden. Mithilfe dieser Bücher können Leben, Kultur und Politik in einer bestimmten Zeitspanne erarbeitet werden.

Einige Beispiele für Reihen mit einem breiten historischen Spektrum sind:
  • Tatort Forschung (Loewe): ab 10 Jahre, Ratekrimi, Themen u. a. Troja, Gutenberg, Zeppelin, Diesel.

  • Tatort Geschichten (Loewe): ab 10 Jahre, Ratekrimi, Themen u. a. Ägypten, Ludwig IVX, das antike Trier, Maya, Martin Luther, antikes Griechenland)

  • Tigerauge (dtv-junior): ab 8 Jahre, Themen u. a. Eiszeit, Wikinger, Mittelalter in Mainz und Köln, Griechenland, Ägypten
    (www.dtv-tigerauge.de - mit Unterrichtsmaterial zum Download)

  • Die Zeitdetektive (Ravensburger): ab 8 Jahre, Themen u. a. Pompeji, das antike Rom, Hannibal, Ägypten, Wikinger)

Bücher zu einzelnen Themen und Rezensionen einzelner Bücher aus den Reihen finden Sie unter www.buecherkinder.de.

Sachbücher mit historischem Bezug


Während die Schüler sich in Romanen die Indizien auf die geschichtlichen Hintergründe selbst erschließen müssen, werden diese in Sachbüchern bereits aufbereitet und weitgehend altersgerecht beschrieben. Hier ist also nicht die genaue Suche nach Hinweisen gefragt, sondern das wissensorientierte Lesen eines Sachtextes. Die Schüler werden damit an die Bearbeitung historischer Quellen herangeführt. Auch hier gilt, dass sie lernen sollten, die gewonnenen Informationen zu hinterfragen und an weiteren Quellen, einem weiteren Sachbuch, einem Sachtext oder im Internet, zu überprüfen. Auf diese Weise lernen die Schüler, nicht nur einer Quelle zu vertrauen, was gerade mit Blick auf Wikipedia wichtig ist; viele Schüler verlassen sich ausschließlich auf diese Wissensquelle.

Damit die Leser Spaß an der Lektüre von Sachtexten gewinnen, ist es wichtig, dass die Auswahl altersgerecht erfolgt. Es gibt inzwischen für jedes Lesealter Reihen mit Sachbüchern, aber natürlich auch Einzeltitel. Durch den Einsatz eines Lesestiftes wie werden im Übrigen auch Texte mit schwierigen Begriffen für jüngere Kinder lesbar und verständlich.

Sachbuchreihen, die auch historische Themen aufbereiten sind zum Beispiel:
  • Arena Bibliothek des Wissens (Arena): ab 12 Jahren, Themen u. a. Friedrich der Große, Caesar, Alexnder der Große, Karl der Große, Kreuzzüge (www.arena-verlag.de/rubrik/sachbuch/bibliothek-des-wissens)

  • Baff! Wissen (Arena): ab 8 Jahre, Themen u. a. Steinzeit, Ägypten

  • Frag mich was (Loewe): ab 6 Jahre, Themen u. a. Steinzeit, Wikinger, Ritter, Altes Ägypten

  • Was ist Was (Buchreihe) (Tessloff): ab 8 Jahre, Themen u. a. Der Urmensch, das antike Rom, Wikinger, Ägypten (www.wasistwas.de - neben der Buchreihe gibt es verschiedene Medien zu einzelnen Themen, sodass eine multimediale Erarbeitung möglich ist)

  • Wieso?Weshalb?Warum? (Ravensburger): ab 5 Jahre, Themen u. a. Rom, Ritter, Piraten. (www.wiesoweshalbwarum.com)


Zum Umgang mit Kinderbüchern


Die Lektüre und der Umgang mit Kinderromanen und Sachbüchern sind sehr unterschiedlich. Kinderromane werden in der Schule vor allem mit Blick auf literarische Mittel gelesen. Bei Büchern mit historischem Hintergrund sollte diese Frage in den Hintergrund rücken, um den Fokus stärker auf den zeitgeschichtlichen Bezug zu lenken. Die Schüler sollten ermuntert werden, in dem Roman nach Spuren aus einer anderen Zeit, für eine andere Lebensweise und Gesellschaftsform zu suchen, nach Kleidung, die anders ist, Speisen, die unbekannt sind oder Namen und Bezeichnungen etc. Damit bekommen die Schüler einen ganz neuen Zugang zur Literatur, der ihnen auch bei der literarisch orientierten Lektüre hilfreich sein wird. Es empfiehlt sich, Leseaufträge zu erteilen und die Ergebnisse mit Lernpostern oder Mindmaps zu dokumentieren, eventuell eine aus dem Buch ablesbare Zeitleiste zu erstellen, ehe im zweiten Schritt anhand von Nachschlagewerken, Internet, Quellen, Schulbuch oder Experten die Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden.

Bei der Bearbeitung von Sachbüchern im Unterricht liegt der Schwerpunkt eher darauf, aus einem ausgewiesenen Sachtext die wichtigsten Informationen herauszufiltern, diese an anderen Quellen zu überprüfen und sie dann in das vorhandene Wissen einzuordnen.

Die Lektüre von Büchern mit historischem Bezug eignet sich auch als Projektarbeit oder Inhalt einer Projektwoche, in die ergänzend zu der Recherche im Internet oder mit Büchern eine Vor-Ort-Recherche im Heimatmuseum oder ein Gespräch mit einem Experten eingebunden werden können.

Das Besondere an dieser Art des Umgangs mit Literatur ist, dass die Schüler sensibilisiert werden für die versteckten Informationen, die Medien enthalten können. Sie erfahren, dass Lernen eben doch überall stattfindet und es sich lohnt, mit offenen Augen durch die (Medien-)Welt zu gehen.

Literatur & Links




  • Klaus Bergmann, Rita Rohrbach:
    Kinder entdecken Geschichte. Theorie und Praxis historischen Lernens in der Grundschule und im frühen Geschichtsunterricht.
    Wochenschau Verlag 2001

  • Grundschule Sachunterricht Nr. 43, 3. Quartal 2009:
    Methoden historischen Lernens. Geschichte erkunden.
    Seelze: Friedrich.

  • Kerstin Michalik (Hrsg.):
    Geschichtsbezogenes Lernen im Sachunterricht.
    Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2004

  • Dietmar von Reeken:
    Historisches Lernen im Sachunterricht. Eine Einführung mit Tipps für den Unterricht. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2011.

  • Monika Rox-Helmer:
    Jugendbücher im Geschichtsunterricht. Wochenschau-Verlag 2006

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Über den Autor/die Autorin

Dr. Birgit Ebbert ist freie Autorin und als Diplom-Pädagogin seit vielen Jahren in der Elternarbeit und Lehrerfortbildung tätig. Neben Kinderbüchern und Krimis schreibt sie Elternratgeber, Lernhilfen, Vorlesegeschichten und Bücher über kreatives Arbeiten mit Papier.

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