Klimaschutz und Generationenkonflikt

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von Christine Kammerer
Junge Klimaschutz-Aktivisten aber auch ältere Menschen benutzten während der Klimadebatte oft leichtfertig Argumente, die das Potenzial zur Spaltung der Gesellschaft haben. So legen einige politische Parolen nahe, die älteren Generationen seien „schuld“ an der sich anbahnenden Klimakatastrophe. Manche Aktivisten behaupten auch, die heute jungen Menschen seien später stärker betroffen als die Alten. Vieles davon ist plakativ und provozierend.
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Junge Klimaschutz-Aktivisten aber auch ältere Menschen benutzten während der Klimadebatte oft leichtfertig Argumente, die das Potenzial zur Spaltung der Gesellschaft haben. So legen einige politische Parolen nahe, die älteren Generationen seien „schuld“ an der sich anbahnenden Klimakatastrophe. Manche Aktivisten behaupten auch, die heute jungen Menschen seien später stärker betroffen als die Alten. Vieles davon ist plakativ und provozierend.

Fakt ist beispielsweise, dass viele arme Regionen auf der Welt auch heute schon stark vom Klimawandel betroffen und teilweise sogar in ihrer Existenz bedroht sind. Fakt ist deswegen auch, dass der Konflikt nicht so sehr die Genrationen entzweit, sondern vielmehr bestimmte soziale Gruppierungen und Bevölkerungsanteile weltweit. Der Klimaschutz ist derzeit durch Covid-19 etwas in den Hintergrund gerückt. Er wird jedoch ganz sicher wieder auf der Agenda stehen, wenn die akute Herausforderung bewältigt ist. Diese Ruhepause gibt uns die Zeit, die Klimaschutz-Diskussion zu versachlichen. Wir haben dann hoffentlich auch etwas aus der Corona-Krise gelernt: Wir können alle anstehenden Probleme nur gemeinsam bewältigen.

„Ok Boomer“ – Internet-Meme für den Generationenkonflikt

Die Floskel „Ok Boomer“ entwickelte sich im Laufe des Jahres 2019 zu einem Internet-Meme. Sie ist insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu einem Totschlagargument avanciert. Die Phrase steht symbolisch für den von einigen behaupteten Generationenkonflikt: „Ok Boomer“ richtet sich gegen eine bestimmte Form der Kritik sogenannter Baby-Boomer an den jüngeren Generationen. Diese empfinden viele der Äußerungen Älterer über Jüngere als stereotyp, herablassend und reaktionär. Deswegen konterten sie darauf schlicht mit „Ok Boomer“. Sie bemühten sich also gar nicht erst, inhaltlich zu argumentieren und das ganz bewusst. Es war in ihren Augen die angemessene Reaktion auf andauernde Abwertungen seitens der Alten. Denn die, so wird unterstellt, ließen ja ebenfalls jegliche sachliche Argumentation missen. „Ok Boomer“ ist letztlich eine Formel, die den Umgangston im Netz auf den Punkt bringt: Man argumentiert nicht, sondern gräbt Andersdenkenden mit Killerphrasen das Wasser ab. Dadurch wird jede Diskussion im Keim erstickt.

Klimaschutz ist kein Generationenkonflikt

Angesichts des Klimawandels müssen sich die älteren Generationen den Vorwurf gefallen lassen, dass sie sehenden Auges in die Katastrophe gelaufen sind. Sie sollen den Planeten ausgebeutet und zerstört haben. Ihr Engagement für Nachhaltigkeit im Sinne der Erhaltung von Ressourcen für nachfolgende Generationen sei unzureichend (gewesen). Die Anklage ist provozierend, klischeehaft und stark moralisierend. Man kann sie durchaus verstehen im Sinne von: „Ihr habt alles falsch gemacht. Wir wissen wie es geht. Wir machen es richtig!“ Es nimmt also kein Wunder, dass die Älteren dagegen halten. So entstand das Klischee vom Generationenkonflikt. Er wurde immer wieder gerne von den Medien thematisiert und von politischen Akteuren instrumentalisiert.

Sieht man jedoch genauer hin, ist das Ergebnis paradox: Der Generationenkonflikt scheint zu existieren. Aber nur deswegen, weil er so häufig thematisiert wird. Tatsächlich spricht wenig dafür, dass es ihn gibt. Die Unterschiede bei den Einstellungen zum Klimaschutz sind zwar mitunter signifikant, aber in der Masse vergleichsweise gering. Die Konfliktlinie verläuft national eher zwischen sozialen Schichten bzw. Wertemilieus als zwischen den Generationen und international eher zwischen reichen und armen Ländern bzw. Gewinnern und Verlierern der Globalisierung.

Klimaschutz geht nur gemeinsam

Klimaschutz ist eine der zentralsten politischen Sachfrage des Jahrhunderts. Es wäre vollkommen verfehlt, die Gesellschaft deswegen zu spalten. Wir haben ernsthafte globale Probleme, für die wir dringend Lösungen benötigen. Das funktioniert nur, wenn wie uns gemeinsam an den Tisch setzten und sinnvolle Strategien entwickeln. Es ist sogar so, dass effiziente Klimaschutzmaßnahmen überhaupt nur dann umgesetzt werden können, wenn die Solidarität unter den Generationen den Generationenkonflikt überwiegt. In den westeuropäischen Industrienationen ist das in aller Regel ganz überwiegend der Fall. Nur deswegen konnten bereits viele Schritte umgesetzt werden, beispielsweise bei der CO2-Reduktion sowie bei der Einigung auf gemeinsame Klimaziele. Dennoch haben wir beim Klimaschutz nicht wirklich viel erreicht. Das liegt jedoch vor allem daran, dass ein kleiner Teil der Welt alleine nur wenig bewegen kann. Klimaschutz geht eben nur global. Doch es erscheint derzeit beinahe aussichtslos, ein Umdenken bei den größten Klimasündern zu bewirken. Zudem dürften die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise die Hoffnungen auf wirksame globale Klimaschutz-Maßnahmen vorerst stark dämpfen.

Fazit: Demokratie geht nicht ohne Konflikt

Es ist das Privileg junger Menschen, die Welt, in der sie leben und die Lebensweise anderer in Frage zu stellen. Daraus resultieren zwangsläufig Konflikte. Das ist das Wesen von Demokratie. Ihr Ziel ist es, möglichst viele berechtigte Interessen unter einen Hut zu bringen. Dies geschieht, indem Gruppierungen mit unterschiedlichen Standpunkten versuchen, einen Konsens zu finden. Eine machbare Lösung, die für möglichst viele akzeptabel und gangbar ist.

Generell sollte man es sehr positiv bewerten, dass junge Menschen so viel Interesse an politischen Themen zeigen und die Bereitschaft aufbringen, sich dafür zu engagieren. Eine demokratische Gesellschaft wird sie bei ihren Meinungsäußerungen und Aktivitäten nach Kräften unterstützen. Sie sind unsere Zukunft. Sie sollten die Entwicklungen selbst in die Hand nehmen und ihre eigenen politischen Wege gehen. Im demokratischen Diskurs. Das ist der vorgegebene Rahmen. Vorgegeben sind auch die realen politischen Machtverhältnisse. National und global. Das bremst den Idealismus und Tatendrang mitunter ein wenig aus und sorgt für Frustrationen. Letztlich ist es aber nur ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Erwachsenwerden: Das Akzeptieren von Realitäten. Auch von unangenehmen. Die Einsicht in Notwendigkeiten. Die Übernahme von Verantwortung. Auch unter schwierigen Bedingungen.

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Über den Autor/die Autorin
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Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.

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