Krisen, Kinder, Bauchschmerz – was Kinder in schwierigen Situationen stärkt

Entwicklung und Erziehung
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von Ulrike Lindner
Leon hat Bauchschmerzen. Nein, in die Schule gehen kann der Zwölfjährige nicht, der Schmerz ist zu schlimm. Seine Eltern sind ratlos - immer wieder klagt ihr Sohn über Schmerzen, für die der Kinderarzt keine körperliche Ursache finden kann.
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Leon hat Bauchschmerzen. Nein, in die Schule gehen kann der Zwölfjährige nicht, der Schmerz ist zu schlimm. Seine Eltern sind ratlos - immer wieder klagt ihr Sohn über Schmerzen, für die der Kinderarzt keine körperliche Ursache finden kann.

Nach Kopfschmerzen gehören Bauchschmerzen zu den häufigsten Krankheitsbildern bei Kindern. Während eine Reihe von physischen Ursachen – von Verstopfung und Blähung über Magen-Darm-Infekte bis zu schwerwiegenden Krankheitsbildern wie Blinddarmentzündung oder Darmeinstülpung – für die Schmerzen verantwortlich sein können, sind bei wiederkehrenden Beschwerden oft psychische Faktoren verantwortlich. Dazu gehören Probleme in der Schule, aber auch Schwierigkeiten mit Freunden oder in der Familie oder Stress.

Wenn die Psyche im Stress ist

Bauch- und Kopfschmerzen, aber auch Schwindel- und Ohnmachtsanfälle oder Erbrechen gelten als typische psychosomatische Krankheitsbilder. Die Ursache sind häufig Ängste, etwa weil Kinder Sorge haben, den Anforderungen des Alltags nicht gewachsen zu sein. Neben Schulstress kann auch Freizeitstress zu den belastenden Faktoren gehören, etwa weil viele Kinder schon im Grundschulalter einen bis an den Rand vollgestopften Terminkalender haben, der neben Unterricht und Hausaufgaben auch Sport- und Musikunterricht sowie etliche weitere Verpflichtungen vorsieht. Selbst wenn die Hobbys Spaß machen – Stichwort „Unser Kind will das so“ – warnen Experten vor dem Dauerdruck, den die zeitliche Belastung auslösen kann.

Selbst wenn Eltern ihre Kinder nicht unter Druck setzen und keine übersteigerten Erwartungen an sie richten, kann das Tempo unserer Gesellschaft krank machen. So tragen nach aktuellen Untersuchungen soziale Medien wie WhatsApp, Instagram oder YouTube Kinder und Jugendliche dazu bei, Kinder zu stressen, weil diese Angst haben, etwas zu verpassen. Die Folgen sind erschreckend: Laut der aktuellen KiGGS-Studie, einer Langzeituntersuchung des Robert-Koch-Instituts zur Kinder- und Jugendgesundheit in Deutschland, leiden etwa 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter verschiedenen psychischen Störungen. Auch Krisen in der Familie wie Trennung, Umzug, Krankheit oder andere Ereignisse können für so viel Stress sorgen, dass Kinder davon krank werden.

Was lässt sich in schwierigen Situationen tun?

Wenn klar ist, dass die Ursache der Schmerzen nicht körperlich, sondern psychisch ist, empfehlen Fachleute zweierlei: Zum einen muss geprüft werden, wie sich das Umfeld der Kinder verändern lässt, um Druck aus der Situation zu nehmen. Das kann geschehen, indem zum Beispiel der Schulstress verringert wird, etwa durch Absprachen mit den Lehrern, andere Arbeitsmethoden oder durch einen Schulwechsel. Auch eine Reduzierung von Freizeitaktivitäten kann helfen, den Betroffenen wieder etwas Luft zu verschaffen.

Zum Zweiten ist es sinnvoll, im Rahmen einer Therapie mit professioneller Hilfe zu klären, wie Kinder ganz konkret mit ihren Schmerzen umgehen können. Wenn es dann gelingt, dass Kinder wie Leon trotz Bauchschmerzen wenigstens zwei Stunden lang zur Schule gehen, ist das schon ein Erfolg. Dazu müssen allerdings nicht nur die Kinder auf die Couch, auch die Eltern müssen mitziehen. Je besser sie wissen, was in ihren Kindern vorgeht, desto besser können sie ihnen helfen. Das funktioniert nicht über Nacht: Miteinander reden, zuhören und vertrauen braucht Zeit und Ruhe.

Probleme nicht unter den Teppich kehren

In aktuellen Krisen wie einer Trennung der Eltern oder einer anderen schwierigen Situation hilft nach Überzeugung vieler Experten vor allem Offenheit. Statt den Kindern die Auseinandersetzung mit der Krise zu ersparen, um die Probleme von ihnen fernzuhalten, sollten Eltern versuchen, mit ihren Kindern darüber zu reden, was sie bedrückt - selbstverständlich in einer dem Alter angemessenen Form. Der ehrliche Umgang mit familiären Krisen kann helfen, eine problematische Situation besser zu bewältigen und sogar als Vorbild für spätere Probleme dienen.

Hilfreich ist auch, wenn Kinder ermutigt werden, ihre Sicht der Dinge auszudrücken, zum Beispiel durch Fragen wie „Hat dich das beunruhigt?“ oder „Hat dich das verängstigt?“. Wenn Kinder außerdem erfahren, dass trotz aller Schwierigkeiten Hoffnung besteht und dass Rückschläge auch immer eine Chance in sich tragen, hilft ihnen auch das, mit der aktuellen Krise besser klarzukommen.

Vorbeugen ist besser als Behandeln

Die beste Behandlung ist sowieso die Prävention. In der Resilienzforschung wird daher seit einigen Jahren untersucht, was Kinder psychisch stark macht. Ergebnisse deuten darauf hin, dass vor allem eine gute frühe Bindung an seine Eltern oder andere wohlwollende Bezugspersonen die beste Basis für die spätere seelische Gesundheit und Widerstandsfähigkeit darstellt. Faktoren wie Verlässlichkeit und liebevolle Fürsorge bieten demnach eine gute Grundlage. Damit kann gar nicht früh genug begonnen werden: Die ersten 18 Monate gelten als die Zeit, in der ein Mensch am stärksten geprägt wird. In dieser Zeit sind liebevolle Zuwendung und Stabilität daher besonders wichtig für die gute psychische Entwicklung.

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https://www.kiggs-studie.de/ergebnisse/kiggs-welle-2/johm.html
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Über den Autor/die Autorin

Ulrike Lindner hat Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Hochschule der Künste, Berlin, studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin, Werbetexterin und Moderatorin.

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