Bewegungsmangel bei Kindern

Entwicklung und Erziehung
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von Christine Kammerer
Es ist ein fataler Trend: Schon die Kleinsten verbringen laut einer aktuellen AOK-Studie mehr Zeit mit Medien als gut für sie wäre. Gleichzeitig entsteht ein immer größerer Bewegungsmangel bei Kindern, weshalb sie immer häufiger an Übergewicht leiden. Fakt ist jedoch: In Familien, die eine positive Einstellung zur Bewegung haben, klagt der Nachwuchs viel seltener über körperliche und psychische Beschwerden. So leiden Kinder aus Familien, die sich gern bewegen, zum Beispiel selten oder nie an Bauchschmerzen – ganz im Gegensatz zu Kindern aus Familien, in denen Bewegung nicht üblich ist.
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Es ist ein fataler Trend: Schon die Kleinsten verbringen laut einer aktuellen AOK-Studie mehr Zeit mit Medien als gut für sie wäre. Gleichzeitig entsteht ein immer größerer Bewegungsmangel bei Kindern, weshalb sie immer häufiger an Übergewicht leiden. Fakt ist jedoch: In Familien, die eine positive Einstellung zur Bewegung haben, klagt der Nachwuchs viel seltener über körperliche und psychische Beschwerden. So leiden Kinder aus Familien, die sich gern bewegen, zum Beispiel selten oder nie an Bauchschmerzen – ganz im Gegensatz zu Kindern aus Familien, in denen Bewegung nicht üblich ist. Bewegte Kinder sind auch nicht so oft gereizt oder launisch und sie haben weniger Probleme beim Einschlafen. Die AOK wertet die Ergebnisse der 2018 durchgeführten Studie als „klares Alarmsignal“. Sie führt das Phänomen zum einen auf den Zeitmangel der Eltern zurück, zum anderen aber auch darauf, dass Kinder und Jugendliche oft große Defizite bei den Spielzeiten im Freien aufweisen. Sie finden im eigenen Wohnumfeld häufig schlichtweg kaum noch bewegungsfreundliche Bedingungen vor ihrer Haustür vor.

Übergewicht und Bewegungsmangel bei Kindern

Die Familienstudie 2018 zum Thema Prävention beruht auf zwei Säulen:

1. Interviews mit Experten und
2. eigene Angaben von 4.896 Familien mit Kindern zwischen 4 und 14 Jahren.

Täglich zu Fuß gehen oder Rad fahren? Das steht bei nicht einmal der Hälfte der befragten Familien auf der Agenda. Hier wird der Bewegungsmangel bei Kindern bereits deutlich. Immerhin geben aber dennoch 67 Prozent der Studienteilnehmer an, dass in ihrer Familie körperliche Aktivität in der Freizeit normal ist. Es bleibt jedoch noch ein großer Teil, bei dem regelmäßige Bewegung nicht zum Alltag gehört: Bei fast einem Drittel der befragten Familien spielt Bewegung in ihrer Freizeitgestaltung entweder „keine“ oder „eher keine“ Rolle.

Als Bewegungsmuffel outeten sich dabei insbesondere Familien mit (stark) übergewichtigen Eltern, was nach Selbstauskunft auf enorm viele der befragten Elternteil zutraf: Insgesamt war mehr als jeder dritte befragte Elternteil übergewichtig, jeder fünfte sogar adipös. Auch hier ist der Bewegungsmangel einflussreich. Nur 42 Prozent der Eltern hatten ein normales Gewicht. Als übergewichtig gilt ein Body Mass Index (BMI) von über 25, als adipös über 30. Der BMI korreliert dabei auffällig stark mit dem Bildungsstand der betreffenden Eltern: Während nur rund 17 Prozent der Eltern mit Abitur oder Hochschulabschluss adipös waren, war deren Anteil mit rund 33 Prozent bei Eltern mit einem Hauptschulabschluss fast doppelt so hoch.

Gesundheitszustand verschlechtert sich infolge Bewegungsmangel bei Kindern

Als Experten wurden im Rahmen der DAK-Studie vor allem Kinderärzte befragt. Über 50 Prozent von ihnen geben an, dass sich nach ihrer Einschätzung der allgemeine Gesundheitszustand deutscher Kinder in den vergangenen zehn Jahren infolge des Bewegungsmangels bei Kindern ganz klar verschlechtert hat. Fast alle (94 Prozent) konstatieren eine Zunahme von Übergewicht, vor allem bei den 6-8-Jährigen. 80 Prozent der Mediziner sehen einen Anstieg motorischer Defizite, am häufigsten bei den 3-5-Jährigen. Die Ärzte sind sich weitgehend einig über die Ursachen:
  • Bewegungsmangel bei Kindern in der Freizeit (96 Prozent),
  • zu intensive Mediennutzung (98 Prozent),
  • ungesunde Ernährung (92 Prozent) und die
  • fehlende positive Vorbildfunktion der Eltern (89 Prozent).

Bewegungsmangel bei Kindern: WHO-Empfehlungen nicht erfüllt

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für Kinder und Jugendliche von sechs bis 18 Jahren “eine tägliche Bewegungszeit von 90 Minuten und mehr in moderater bis hoher Intensität“, um den Bewegungsmangel bei Kindern vorzubeugen. Diese Werte werden gemäß der AOK-Studie nur von jedem zehnten Kind erreicht. Sie folgen damit oft nur dem Vorbild der Eltern: Von denen treiben nämlich auch nur etwa elf Prozent regelmäßig und mindestens 150 Minuten pro Woche moderat Sport wie es die WHO empfiehlt.

Eine repräsentative Langzeit-Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) bei 4- bis 17-Jährigen fällt etwas günstiger aus, bestätigt aber ebenfalls den Trend zu mangelnder Bewegung: Der RKI-Untersuchung zufolge kommt 1/4 der Kinder und Jugendlichen auf 60 Minuten mäßige Bewegung am Tag, nur etwa die Hälfte der Mädchen und rund 63 Prozent der Jungen absolvieren mindestens 90 Minuten Sport pro Woche. Das sogenannte "Motorik-Modul" (MoMo) der Studie untersucht die Bewegungsgewohnheiten von Kindern in Deutschland. Auch hier werden Resultate über einen sehr langen Zeitraum erhoben. Die Studie diagnostiziert insgesamt ein dickes Minus beim Zeit-Budget für Bewegung: Demnach sank die körperliche Alltagsaktivität in dieser Altersgruppe in den vergangenen zwölf Jahren um 37 Prozent, also um 31 Minuten pro Woche. Der Bewegungsmangel bei Kindern ist folglich statistisch bewiesen.

Fazit: Bewegungsmangel bei Kindern durch weniger Medien reduzieren

Die Freude an der Bewegung sollte Kindern schon sehr frühzeitig vermittelt werden, um dem Bewegungsmangel bei Kindern entgegenzuwirken – möglichst von Anfang an. Nichts ist so motivierend, als wenn die Eltern selbst Spaß und Interesse an Sport und Bewegung haben. Die Kinder übernehmen die inneren Einstellungen ihrer Eltern, aber nur dann, wenn diese auch selbst genug Geduld und Ausdauer besitzen und ihre Kinder immer wieder aufs Neue motivieren. Dazu ist oft erst einmal Selbst-Motivation erforderlich, doch auch Familien, in deren Alltag Bewegung bisher keine große Rolle gespielt hat und die ihre Gewohnheiten ändern wollen, können dies jederzeit und ohne großen Aufwand tun. Sie sollten zunächst einfach ihren Alltag nach entsprechenden Möglichkeiten durchforsten und dann damit beginnen, alle kurzen Strecken, zu Fuß zu gehen oder mit dem Rad zu fahren, auf das Fahren mit dem Lift verzichten und lieber Treppen laufen. Sie sollten viel öfter die Mobilgeräte aus der Hand legen und einen Ausflug an den See, in den Kletterpark oder den Tiergarten etc. unternehmen – am besten mit dem Fahrrad. So können Sie den Bewegungsmangel bei Kindern und sich selbst effektiv reduzieren.

Gleichzeitig sind die Kommunen gefordert, für möglichst viele geschützte Räume zu sorgen, innerhalb deren Kinder und Jugendliche ihren Bewegungsdrang in der Freizeit aktiv ausleben können. Und nicht zuletzt kommt hier dem Schulsport eine wichtige Rolle zu. Es ist das einzige Fach an Schulen, das grundlegende motorische Fähigkeiten und den Stressabbau fördert, Übergewicht, Haltungsschäden und Unfällen vorbeugen hilft und gleichzeitig Zusammenhalt und Teamgeist in den Klassen stärkt. Dem Bewegungsmangel bei Kindern kann folglich in vielen Lebensbereichen entgegengewirkt werden.

Links

AOK-Familienstudie 2018

Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung, S. 25ff.

Langzeitstudie KiGGS des Robert Koch-Instituts (RKI)

Das Motorik-Modul

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Themen:
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Über den Autor/die Autorin
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Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.

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