Lernen beim Papierfalten

Entwicklung und Erziehung
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von Dr. Birgit Ebbert
Papierfalten ist eine Kulturtechnik, die im Kindesalter erlernt und danach oft vergessen wird. Dabei lassen sich mit wenigen Kniffen ganze Welten erschaffen und entspannend ist das Falten auch noch.
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Papierhüte und gefaltete Schiffchen, wunderbar zusammengelegte Servietten und eine Papierschleife in Form einer Ziehharmonika kennen wir alle. Papierfalten ist eine Kulturtechnik, die im Kindesalter erlernt und danach oft vergessen wird. Dabei lassen sich mit wenigen Kniffen ganze Welten erschaffen und entspannend ist das Falten auch noch. Nicht umsonst ist das Papierfalten in Asien seit Jahrhunderten Teil religiöser Zeremonien, in China werden noch heute Grabbeigaben aus Papier gefaltet und in Japan falten Brautpaare auch heute noch gemeinsam 1.000 Kraniche, damit ihre Ehe glücklich wird. Und in Restaurants werden die Tüten der Essstäbchen gerne zu kleinen Figuren gefaltet. Papierfalten bietet darüber hinaus noch einen anderen positiven Effekt: das Lernen beim Papierfalten.

1. Über das Papierfalten

Im Allgemeinen wird die Entwicklung des Papierfaltens den Menschen in Asien zugeschrieben, weil es dort als erstes Papier gab, mit dem sich ganz neue kreative Möglichkeiten ergaben. Allerdings wurden auch bei uns Briefe gefaltet, auf den Bildern alter Meister finden sich Kragen und Kleidungsstücke mit gezielt gesetzten Falten und bei Hof wurden Servietten für die Gäste gefaltet.

Eine wichtige Rolle bei der Verbreitung des Papierfaltens kommt Friedrich Fröbel zu. Er gilt als Erfinder des Kindergartens und hat Mitte des 19. Jahrhunderts in seinem Konzept unter anderem vorgesehen, dass Kinder mit Papier falten. Hier sollten sie mathematische Grundprinzipien lernen, aber auch ein Bewusstsein für Formen und Figuren in ihrer Umwelt bekommen. Dadurch, dass sein Konzept des Kindergartens in die ganze Welt exportiert wurde, vor allem nach Japan, bekam die Technik selbst dort einen neuen Schub.

In manchen Kindergärten bei uns wird heute noch mit Papier gefaltet. Einzug in die Kunst und die Beschäftigung Erwachsener hielt diese Technik aber aus Asien und den USA. Bis dahin wurde Falten durch Erwachsene eher mit Falten von Servietten in Verbindung gebracht.

Dabei ist das Papierfalten bzw. Origami eine einfache Technik, für die kein aufwendiges Material nötig ist und die überall umgesetzt werden kann. In Abschnitt 2 erfahren Sie, wie Kinder vom Papierfalten in ihrer Entwicklung profitieren. In Abschnitt 3 werden Sie an Faltungen aus Ihrer Kindheit erinnert, die sicher auch Ihren Kindern Spaß machen. Wenn Sie dann wieder Freude am Falten bekommen haben, finden Sie in den Literatur- und Linktipps vielfältige Anregungen.

2. Lernen beim Papierfalten - Fördern von Konzentration und Mathematik

Beim Papierfalten werden Fähigkeiten nicht vermittelt, sondern eingefordert, sodass Kinder gar nicht bemerken, dass sie wichtige Grundfertigkeiten trainieren und beim Papierfalten lernen. Da ist zum einen das genaue Arbeiten. Wer nicht halbwegs exakt Ecke auf Ecke und Kante auf Kante legt, bekommt nicht das Faltergebnis, das er sich wünscht. Das ist anders als beim Schreiben neben der Linie. Und beim Falten ergibt sich automatisch, dass ein Kind beim nächsten Versuch sorgfältiger arbeitet. Zusätzlich wird die räumliche Orientierung gefordert und die Recht-Links-Unterscheidung übt sich bei den Anleitungen nebenher.

Ebenfalls bei den Anleitungen wird ein mathematischer Grundwortschatz gebildet. Ecke, Kante, Seite, Mittelpunkt, Diagonale, die Begriffe tauchen auf, werden einmal hinterfragt und prägen sich ein, weil sie benötigt und nicht nur theoretisch abgespeichert werden.

Faszinierend ist aber, dass mathematische Grundprinzipien beim Falten erlebbar werden. Aus einem Quadrat entstehen durch eine Faltung entweder zwei Rechtecke oder zwei Dreiecke. Diese beiden bilden jeweils die Hälfte des Quadrats. So geht halbieren. Aus einem Dreieck lässt sich mit einer weiteren Faltung allenfalls noch ein Dreieck falten, ein Quadrat ist nicht möglich. Das sind Themen, mit denen Kinder in der Schule alle zu tun haben und mit denen viele Schülerinnen und Schüler Schwierigkeiten haben. Papier falten ist also weit mehr als Kinderbeschäftigung, es trainiert wichtige Fertigkeiten und macht Mathematik erlebbar.

Darüber hinaus gibt es einige Studien, die zeigen, dass Papierfalten das Selbstvertrauen von Kindern stärkt, dass es entspannt und sogar therapeutisch wirkt. Es lohnt sich also, einen Stapel Papier in Reserve zu haben, damit lassen sich Kinder immer beschäftigen.

3. Lernen beim Papierfalten: Schiffchen, Hut und andere Faltfiguren

Hier finden Sie einige der klassischen Faltmodelle, an die Sie sich sicher schnell erinnern, wenn Sie die Anleitung sehen.

Hut und Schiffchen

Ja, genau, das Schiffchen wird aus dem Hut gefaltet, das wissen Sie schnell wieder.
  1. Ein rechteckiges Papier wird längs in der Mitte gefaltet.
  2. Das entstandene Rechteck wird erneut in der Mitte gefaltet und wieder aufgefaltet.
  3. Das Papier liegt mit der offenen Seite zu Ihnen und die rechte und linke obere Ecke werden entlang der Mittellinie gefaltet. Das sieht ja schon aus wie ein Hut.
  4. Nun wird der überstehende Rand auf der Vorder- und Rückseite nach oben gefaltet und die Ecken werden versteckt. Der Hut ist fertig.
  5. Für das Schiffchen wird der Hut von unten geöffnet und die Spitzen werden aufeinander gefaltet. Jetzt ist ein Quadrat zu sehen.
  6. Das Quadrat wird so gedreht, dass die offenen Ecken nach unten zeigen. Die Ecken werden auf der Vorder- und Rückseite auf die obere Spitze gefaltet.
  7. Das so entstandene Dreieck wird von unten geöffnet, bis erneut ein Quadrat entsteht.
  8. Wieder werden das Quadrat wird so gedreht, dass die offenen Ecken nach unten zeigen. Die Ecken werden auf der Vorder- und Rückseite auf die obere Spitze gefaltet.
  9. Die zwischen dieser Faltung hochstehenden Spitzen werden nach außengezogen und das Schiffchen ist fertig.

Himmel oder Hölle

Was wir als „Himmel oder Hölle“ kennen, taucht bereits in den ersten Anleitungen von Friedrich Fröbel vor 150 Jahren auf und wird im Englischen „Cootie Catcher“ genannt.

1. Ein quadratisches Papier wird mit der Außenseite nach unten gelegt.
2. Jeweils eine Ecke wird auf die gegenüberliegende Ecke gefaltet und die Faltung wird wieder geöffnet.
3. Nun werden alle Ecken zum Mittelpunkt gefaltet.
4. Das gefaltete Werk wird gewendet und alle Ecken werden erneut zum Mittelpunkt faltet.
5. Wenn Sie jetzt das fertige Werk quer in der Mitte falten, können Sie leichter Daumen und Zeigefinger beider Hände in die Taschen an der Unterseite der Faltfigur stecken und sie ein bisschen bewegen. Das war’s schon.

Fang- oder Trinkbecher

Den Becher aus dieser Anleitung können Sie vielseitig verwenden. Wenn das Papier nicht zu dünn ist, lässt sich tatsächlich daraus trinken. Mit einer Kugel an einem Faden unten angebunden, entsteht ein Fangspiel und aus großem Papier gefaltet, bekommen Sie einen hübschen Behälter für Kleinkram, der sonst herumliegen würde.

1. Falten Sie eine Ecke auf die gegenüberliegende Ecke.
2. Legen Sie das Dreieck mit der langen Kante nach unten und falten Sie die rechte Ecke auf die gegenüberliegende Kante.
3. Falten Sie die linke Ecke ebenfalls auf die gegenüberliegende Kante, sodass beide umgefalteten Kanten übereinanderliegen.
4. Stecken Sie die oberste Lage des überstehenden Dreiecks in den vorderen der beiden Flügel.
5. Schieben Sie die zweite Lage in den Becher. Fertig!

Girlandenmännchen

Erinnern Sie sich an die Girlandenmännchen. Sie sind nichts anderes als Papierstreifen, die wie eine Ziehharmonika gefaltet werden und aus denen etwas an den Faltkanten herausgeschnitten wird. Mit einem Kind sollten Sie nicht gleich eine Figur versuchen, sondern eher eine geometrische Form. Auch ist es wichtig, dass die Falten breit sind, sie dürfen ruhig 5 cm breit sein, dann kann Ihr Kind beim Schneiden kreativer sein.

4. Literatur & Links zum Weiterlesen

Literatur

Birgit Ebbert: Origami super easy! 2018
Birgit Ebbert: PapierZen. Entspannen mit Papier. 2018
Birgit Ebbert: Papier falten in der Kita. 2019
Didier Boursin: Origami falten kinderleicht. 2015
Thomas Joseph Landa: Origami Kompaktkurs 2006
Ines Petzschler und Heiko Etzold: Mathe verstehen durch Papierfalten: Anleitungen und Arbeitsblätter für die Sekundarstufe. 2014
Joan Sallas: Origami-Spaß für Kinder. 2002

Links

Alte und neue Faltfiguren und vieles über Papierfalten www.papierzen.de

Origami falten für Groß und Klein

Papierfalten auf Kikis Web

Dissertation über „Papierfalten“ im Mathematik-Unterricht von Reimund Albers. 2006
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Themen:
Papierfalten
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Konzentration
Mathe
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kreativ
Über den Autor/die Autorin

Dr. Birgit Ebbert ist freie Autorin und als Diplom-Pädagogin seit vielen Jahren in der Elternarbeit und Lehrerfortbildung tätig. Neben Kinderbüchern und Krimis schreibt sie Elternratgeber, Lernhilfen, Vorlesegeschichten und Bücher über kreatives Arbeiten mit Papier.

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