Kontrolle und Selbstoptimierung bei Jugendlichen und Kindern

Entwicklung und Erziehung
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von Hildegard Dierks

Es wird immer wichtiger, sich optimal zu präsentieren. Kleine technische Geräte sog. Wearables gewinnen beim Kontrollieren und der eigenen Optimierung - so scheint es – an Bedeutung. Wir sehen schick gekleidete Jogger mit Brustgurt. Digitale Schrittzähler, eingebaute Sensoren in Laufschuhen, Fitnessarmbänder und Fitness-Apps, die Zahnbürste, die erst aufhört zu vibrieren, wenn wir drei Minuten geputzt haben, halten Einzug in unser Leben. Um eine Prüfung bestens zu bestehen, nehmen wir vorsichtshalber eine kleine, bunte Pille.

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Es wird immer wichtiger, sich optimal zu präsentieren. Kleine technische Geräte sog. Wearables gewinnen beim Kontrollieren und der eigenen Optimierung - so scheint es – an Bedeutung. Wir sehen schick gekleidete Jogger mit Brustgurt. Digitale Schrittzähler, eingebaute Sensoren in Laufschuhen, Fitnessarmbänder und Fitness-Apps, die Zahnbürste, die erst aufhört zu vibrieren, wenn wir drei Minuten geputzt haben, halten Einzug in unser Leben. Um eine Prüfung bestens zu bestehen, nehmen wir vorsichtshalber eine kleine, bunte Pille.

Wo führt das hin, wenn wir an Kinder und Jugendliche denken?

Alltag im Schülerleben – Nicht immer optimal

„Wieso ist meine Versetzung schon wieder gefährdet“, fragt sich so manche Schülerin/mancher Schüler. Nicht mal im Sportunterricht war in diesem Schuljahr was möglich!

Manchmal sind wir nicht zufrieden mit uns. Wir fühlen uns gelangweilt. Es fehlt es uns an Gelassenheit und innerer Coolness. Nicht gut aussehen kommt bei den Mitschülerinnen und Mitschülern nicht an. Das weiß doch jeder! Schlechte Noten mögen Eltern nicht.

Wir wollen alle beliebt und am besten auch erfolgreich sein, wenn wir ehrlich sind. Und all das möglichst dann, wenn es darauf ankommt, d.h. genau genommen, also immer.

Es wird gerade von Kindern und Jugendlichen erwartet, dass sie an ihren Problemen arbeiten, um voran zu kommen im Leben.

Wer nicht mitmacht, gerät leicht ins Abseits oder wird gemobbt.

Fehlerkontrolle– Eine Voraussetzung für Lernfortschritt

Nicht immer ist Kontrolle und sog. Selbstoptimierung negativ zu sehen. Versteht man Selbstoptimierung als machbaren Lernfortschritt, kann es positiv sein.

Eine Kontrolle und digitale Aufzeichnung der Fehler kann uns beim Lernen Hinweise geben, um am eigenen Lernstand arbeiten zu können. Eine systematische, regelmäßige Kontrolle kann einen Lernfortschritt aufzeigen und motivierend wirken, vorausgesetzt wir machen Fortschritte.

Im Schülerleben kontrolliert die Lehrerin/der Lehrer den Test. Die Fehler werden markiert und Schülerinnen und Schüler schreiben eine Berichtigung. Dies geschieht selbstverständlich mit dem Ziel, dass wir diese konkreten Fehler nicht wiederholen. So ist das Ideal. Die Lernwirklichkeit sieht anders aus. Im Laufe des Schuljahres kann man sich oft nicht mehr so genau an seine Fehler oder Schwächen erinnern. Man ist mit den aktuellen Herausforderungen beschäftigt.

An der Stelle können Internet und neue Medien mit ihren Aufzeichnungs- und Dokumentationsfunktionen eine Hilfe sein. Ein Beispiel: Viele Lernprogramme oder Lern-Apps für den Bereich Fremdsprachen bieten die Möglichkeit an, Fehler zu dokumentieren und erstellen darüber hinaus eine Fehlerhistorie. Die Übungen, bei denen die Ergebnisse noch nicht so gut waren, können bei einer neuen Lernsitzung wieder vorgelegt werden.

Man muss die Funktionen kennen, einstellen und vor dem Kauf zunächst sicherstellen, dass die Software diese Möglichkeit anbietet. Man bekommt darüber hinaus Rückmeldungen, beispielsweise „Du hast 80% richtig.“ Einige Programme erzeugen Highscore-Listen.

Bei Schullizenzen, z.B. bei dem Leselernprogramm Antolin, kann der Lehrer/die Lehrerin dem Grundschüler mitteilen wo er/sie im Vergleich mit anderen steht. Kinder können eine motivierende Urkunde ausgedruckt bekommen.

Insbesondere Grundschulkinder sowie Schülerinnen und Schüler, die nicht so technikbegeistert sind, brauchen oft Hilfe bei der Anwendung, aber auch bei der Einschätzung der Rückmeldung.

Kinder und Jugendliche können nicht nur allein für sich lernen. Sie brauchen Ansprechpartner.

Trainingshilfe im Sport mit technischen Gadgets

Sport ist gut für unsere Gesundheit. Wir bewegen uns, um gesund zu bleiben, aber auch aus Spaß an der Freud.

Manche entwickeln bereits früh großen sportlichen Ehrgeiz oder zeigen ein ungewöhnliches, sportliches Talent. Je jünger die Kinder, umso stärker steht bei den meisten allerdings der Spaß am Sport im Vordergrund. Später kommt für Einige der Leistungsgedanke und der Wunsch nach optimaler Fitness hinzu. Moderne, internetfähige Technik kann dann eine Rolle spielen.

Der Markt hat viel im Angebot, den eigenen Leistungsstand der Fitness, Kalorienverbrauch beim Sport, Schlaflänge und -tiefe sowie Puls- und Herzfrequenz beim körperlichen Training zu kontrollieren und zu dokumentieren. Es ist für uns in gewisser Hinsicht spannend, etwas über uns zu erfahren. Besonders beliebt sind Fitness-Armbänder, ein Beispiel für sog. Wearables. Gerade bei Fitnesstrackern misst man sich gern auch mit anderen, d.h. mit anderen, die auch gern fit sind und auch so ein Armband tragen.

Manche Gadgets sind nicht besonders teuer, die einfachen Funktionen leicht bedienbar. Viele sind aber nicht ganz so preisgünstig und die Bedienung des gesamten Funktionsumfangs ist nicht ganz so einfach.

Ob sog. Wearables sich auf Dauer durchsetzen, ist nicht klar. Möglicherweise ist es ein vorübergehender Hype. Einigen macht es sicher Spaß, sich damit zu beschäftigen.

Es wäre wichtig im Sportunterricht in der Sekundarstufe I oder in der Informatik-AG, Vorteile und Nachteile dieser Gadgets ausführlicher zu thematisieren. Dazu zählen Fragen des Datenschutzes, eine kritische Erörterung, welche Parameter gemessen werden, vor allem auch welche nicht. Wann wird ein Bemühen um Gesundheit und Sportlichkeit zum Fitness- oder Schlankheitswahn? Wie viel Geld will ich für solche Gadgets ausgeben? Ist mein dicker, unsportlicher Freund auch super?

Fit sein, auf den Punkt? – Aber nicht so

Am Prüfungstag möchten wir topfit sein.

Zum Ende der Grundschulzeit, wenn entschieden wird, ob ein Kind eine Empfehlung fürs Gymnasium bekommt oder nicht, werden die Tage, an denen Tests geschrieben werden, oft stressig.

Es ist nur verständlich zu denken, dass man dann auf Nummer sicher gehen möchte und vielleicht eine dieser neuen Pillen einnehmen möchte. „Mit Gehirndoping eine entscheidende Situation zuverlässig meistern, man kann auch sagen „kontrollieren“, denken sich Eltern und fügen hinzu, dass andere es wahrscheinlich auch tun.

Immer mehr Kinder nehmen Ritalin oder ähnliche Substanzen. Ist das berechtigt? Da muss man skeptisch sein. Dieses Medikament ist nur als Therapie für manche ADHS-Kinder gedacht, die sich in der Schule ohne Medikamente so gut wie gar nicht konzentrieren können. Der Einnahme dieser Medizin muss also eine genaue Diagnose vorausgehen.

Wo hört es auf, wo fängt der Bedarf an? Ganz abgesehen davon, dass die Wirkung von Ritalin oder ähnlichen Medikamenten auf ein gesundes Gehirn nicht ganz geklärt ist, stehen diese Medikamente im Verdacht, eine Art Einstiegsdroge zu sein.

Selbst wenn es nicht sofort so schlimm kommt, lernt ein Kind durch die Einnahme, dass es ohne Tabletten geistig herausfordernde Situationen nicht meistern kann. Verliert man seinen inneren Kompass, beginnt die Einnahme von hirnaktiven Substanzen zur Selbstoptimierung bereits in der Grundschule, setzt sich fort in der Sekundarstufe I, später in Studium und Beruf und kann in der Suchtklinik enden.

Kommentar: Kinder und Jugendliche nicht sich selbst überlassen

Wir wollen leistungsbereite, ehrgeizige Kinder und Jugendliche.

Es spricht nichts dagegen, wenn Kinder Gadgets der Eltern einmal auszuprobieren und sie möglicherweise in besonderen Situationen betreut von Eltern, Lehrern oder Trainern nutzen. Verbote sind immer schlecht. Für die meisten sind die Gadgets ähnlich wie schicke Sportkleidung einfach eine modische Spielerei oder eine Art Schmuckstück.

Grundschulkinder können und sollten von Ausnahmen abgesehen mit diesen Gadgets nicht wirklich etwas anfangen. Ein analoger Schrittzähler, die Stoppuhr in der Hand der Freundin, die meine Laufgeschwindigkeit misst oder Puls messen nach dem Sport ist da erkenntnisreicher.

Teenager haben vielleicht zum Ende der Sekundarstufe I im Einzelfall einen Nutzen davon. Die Bedingungen sind ähnlich wie bei einer Smartphone-Nutzung, zumal sie oft mit Smartphones verbunden sind. Möglicherweise kann man den ein oder anderen unsportlichen, aber technikaffinen Jugendlichen auf diese Weise für Sport begeistern.

Viele Kinder mögen es aber auch immer noch gern, wenn Mutter/Vater/Freundin die Vokabeln abhören. Sie möchten nicht immer allein am Smartphone mit einem Vokabelprogramm üben. Es ist ihnen auch oft gar nicht mal so unangenehm, wenn ihr Gegenüber nicht mehr weiß, was man in der letzten Woche schon nicht wusste.

Besonders kritisch ist der Umgang mit hochsensiblen Gesundheitsdaten zu sehen. Wer liest und versteht schon das Kleingedruckte in der Produktinfo der Gadgets? Mit den Gadgets geben wir sehr persönliche Daten zur potenziellen Auswertung an unbekannte Andere.

Die neuen Gadgets können auch zu einer sinnlosen Testeritis führen, nur weil das Testen damit so gut funktioniert.

Und, seien wir ehrlich! Wenn es um eine ständige Selbstoptimierung geht, ist die Versuchung zu mogeln, Hirndopingmittel oder andere Dopingmittel zu nehmen, groß. In der öffentlichen Highscore-Liste möchte schließlich niemand unten stehen.

Linktipps:

Eine Sendung des WDR zum Thema „Der optimierte Mensch“

Kurzformationen von Stiftung Warentest zu Wearables - Aspekte zu Preis, Handhabbarkeit und Messgenauigkeit

Buchtipps:

Froböse, I. und P. Großmann Der kleine Sporticus: Bewegungs- und Ernährungstipps, die Kinder fit machen broschiert – Beltz Verlag 2017

Kornyeyeva L. Die sedierte Gesellschaft Wie Ritalin, Antidepressiva und Aufputschmittel uns zu Sklaven der Leistungsgesellschaft machen Heyne 2014

Rögener W. Hyper-Hirn: Durch Neuro-Enhancement klüger, wacher, effizienter Ernst Reinhardt Verlag 2014

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Über den Autor/die Autorin

Hildegard Dierks arbeitet seit vielen Jahren als Online-Autorin und Online-Redakteurin für verschiedene Zielgruppen, z.B. Eltern. Zu ihren Themenschwerpunkten zählen alle Themen rund um Grundschule, Fremdsprachenlernen, Musikerziehung, computergestütztes Lernen aber auch schulpolitische Themen.

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