Werte vermitteln: Wie aus Kindern starke Persönlichkeiten werden

Entwicklung und Erziehung
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von Ulrike Lindner

Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen, Empathie und Toleranz, Offenheit und Neugier – das sind Werte, die wohl fast alle Eltern ihren Kindern gern mit auf den Weg geben möchten. Aber wie bilden sie sich? Ist ein aufrechter Charakter nur eine Frage der Gene? Oder können Eltern ihren Kindern aktiv dabei helfen ein stabiles Wertegerüst zu entwickeln?

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Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen, Empathie und Toleranz, Offenheit und Neugier – das sind Werte, die wohl fast alle Eltern ihren Kindern gern mit auf den Weg geben möchten. Aber wie bilden sie sich? Ist ein aufrechter Charakter nur eine Frage der Gene? Oder können Eltern ihren Kindern aktiv dabei helfen ein stabiles Wertegerüst zu entwickeln?

Wie lernt man Selbstdisziplin und Verantwortungsbewusstsein?

Zugreifen oder liegenlassen? Beim Stanford Marshmallow Experiment, einem Klassiker der psychologischen Experimente, standen Vorschulkinder vor dieser Entscheidung. Vor ihnen ein Marshmallow. Wem es gelänge, die Süßigkeit 15 Minuten liegen zu lassen, der sollte einen zweiten dazu bekommen. Nur etwa ein Drittel der 600 Kinder schaffte es, der Versuchung zu widerstehen, alle anderen griffen zu und verputzten den Schaumkuss sofort. Diejenigen allerdings, die schon im Kindergartenalter Selbstkontrolle gezeigt hatten, erwiesen sich später als bessere Schüler und studierten mit größerer Wahrscheinlichkeit, als ihre weniger beherrschten Altersgenossen. Sie waren auch gesünder und allgemein zufriedener.

Selbstkontrolle scheint also ein Wert zu sein, der für die spätere Entwicklung von Kindern von Vorteil sein kann. Und diese Fähigkeit ist nicht angeboren. Eltern können helfen, die Fähigkeit zur Beherrschung zu trainieren, indem sie schon jungen Kindern kleine Aufgaben im Haushalt und Familienalltag übertragen. Müll heraustragen, beim Ausräumen der Geschirrspülmaschine helfen oder Tisch decken. Anfangs können kleine Belohnungen zur Verstärkung eingesetzt werden, später sollten sie entfallen. Kinder lernen so, Dinge zu tun, die ihnen nicht unmittelbar „Spaß“ bringen und zugunsten der Pflichterfüllung gelegentliche Unlust zu überwinden. Im Gehirn entstehen dabei Strukturen, die es erleichtern, auch in anderer Seite über den eigenen Schatten zu springen. Und das ist später in vielerlei Hinsicht hilfreich, denn so trainieren Kinder auch Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit.

Empathie für andere macht tolerant und zufrieden

Wer die Gefühle anderer nachvollziehen kann und versteht, was den Mitmenschen Freude oder Schmerz bereitet, dem fällt es in der Regel leichter, gute soziale Beziehungen aufzubauen. Zum Teil ist diese Empathiefähigkeit angeboren – schon sehr kleine Kinder ab etwa 18 Monaten haben das Bedürfnis, andere zu trösten, wenn diese traurig sind. Kindern, die früh Mitgefühl zeigen, fällt es auch oft leichter, später im Leben gute Beziehungen zu formen und Vertrauen zu anderen aufzubauen. Empathie lässt sich in der Kindheit gut fördern. Zum einen indem Eltern ihre eigenen Gefühle offen zeigen, ihre Kinder aufmerksam begleiten und auf deren Gefühle eingehen, statt diese zu ignorieren. Zum anderen indem sie mit ihren Kindern hypothetische Situationen besprechen („warum ist das kleine Kind wohl traurig?“), Geschichten erzählen oder vorlesen, in denen Kinder lernen sich in andere hineinzuversetzen – das trainiert die Empathie, Fairness und Hilfsbereitschaft.

Offenheit und Neugier machen stark

Eigene Wege gehen, Lösungen finden, kreativ sein und sich nicht nur auf Vorgegebenes verlassen – das sind Fähigkeiten, die viele erfolgreiche und zufriedene Menschen auszeichnen. Auch die Resilienz, also die innere Fähigkeit mit schwierigen Situationen umzugehen und Niederlagen wegzustecken, soll Studien zufolge bei kreativen Kindern besser ausgeprägt sein. Wer seinen Kindern helfen möchte, diese wichtige Fähigkeit zu trainieren, kann

  • Kindern Freiräume einräumen, in denen sie sich ausprobieren können und loben wenn sie z.B. in Spielsituationen etwa Neues probieren
  • einen Rahmen schaffen, in dem Kreativität sich entfalten kann, etwa durch geeignete Spielmaterialien oder die Erlaubnis, etwas Eigenes zu gestalten (z.B. das Zimmer umräumen, selbst die Kleidung aussuchen)
  • Spielmaterialien bereitstellen, mit denen die Vorstellungsvermögen angeregt wird
  • Ein Spielumfeld schaffen, das viele Sinne anspricht

Die beste Voraussetzung, um Kindern Werte zu vermitteln, darin sind Erziehungswissenschaftler einig, ist jedoch selbst Vorbild zu sein. Das gelingt besonders gut, wenn Eltern sich überhaupt erst einmal mit der Frage auseinandersetzen, was sie eigentlich mit dem Begriff „Werte“ verbinden und welche ihnen besonders wichtig für die eigene Familie sind.

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Über den Autor/die Autorin

Ulrike Lindner hat Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Hochschule der Künste, Berlin, studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin, Werbetexterin und Moderatorin.

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