Sprachförderung in der Grundschule

Entwicklung und Erziehung
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von Anna Bahr
In vielen ersten Klassen sitzen Kinder, deren Muttersprache nicht deutsch ist. Fehlende oder schwache Deutschkenntnisse erschweren den Kindern aber den Erfolg in der Schule. Viele Grundschulen bieten deshalb Schülern mit Migrationshintergrund gezielten Sprachförderunterricht an.
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In vielen ersten Klassen sitzen Kinder, deren Muttersprache nicht deutsch ist. Fehlende oder schwache Deutschkenntnisse erschweren den Kindern aber den Erfolg in der Schule. Viele Grundschulen bieten deshalb Schülern mit Migrationshintergrund gezielten Sprachförderunterricht an.

Die Statistik der Bundeszentrale für politische Bildung belegt es: Deutschland hat sich zu einem beliebten Land für Zuwanderer entwickelt. Bereits vor zehn Jahren ist jedes vierte Kind in den vierten Klassen ein Kind mit Migrationshintergrund. Für Deutschlehrer bedeutet die Integration dieser Schüler eine große Herausforderung. Dabei sei Bildung der Schlüssel für eine gelungene Integration, so der Schluss vieler Wissenschaftler. Denn nur über Bildung könne der Anschluss an das „ökonomische, gesellschaftliche, politische und kulturelle“ Leben gelingen.

Gemeinsame Sprache verbindet

Mit dem anhaltenden Flüchtlingsstrom rückt das Unterfangen Integration immer mehr in den Vordergrund. Für viele Lehrer, vor allem in den Großstädten, gehört Integration allerdings schon lange zu ihrer täglichen Arbeit. In vielen Klassen sitzen Kinder von Asylbewerbern, Spätaussiedlern oder Flüchtlingen. Einige dieser Kinder besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft, weil sie hier geboren sind. Dennoch haben auch diese Grundschüler Probleme mit der deutschen Sprache. Die Gründe dafür sind verschieden. So sprechen beispielsweise viele Kinder nur in der Schule deutsch und verständigen sich zu Hause in ihrer Herkunftssprache. Für den Schulalltag ist es aber wichtig, dass sich alle verstehen. Wenn manche Schüler den Arbeitsauftrag im Lehrbuch nicht übersetzen können, kommt der Lehrer nicht mit dem eigentlichen Stoff voran, sondern muss erst als Dolmetscher fungieren. Damit das Miteinander besser gelingt, sollen spezielle Förderprogramme in Grundschulen diesen Kindern helfen, besser Deutsch zu sprechen und somit bessere Fortschritte im Lehrplan zu erzielen.

Sprachförderung mit intensiver Betreuung

In Sprachfördergruppen einer Schule werden die Kinder in möglichst kleinen Gruppen intensiv gefördert und gefordert. Ob die Sprachstunden gesondert oder parallel zum eigentlichen Unterricht stattfinden, hängt von den Kapazitäten der jeweiligen Schule ab. Meist unterrichten speziell ausgebildete Lehrer, die Erfahrung im Unterricht mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) haben.

In den Lerngruppen stehen Grammatik, Vokabeln und Aussprache im Mittelpunkt. Idealerweise stellen die Lehrer einen Förderplan individuell für jedes Kind auf. Denn es macht einen Unterschied, ob das Kind gerade erst aus seinem Heimatland nach Deutschland gekommen ist oder ob es hier geboren und aufgewachsen ist.

Die Grundschule Tostedt in der Nähe von Hamburg bietet zum Beispiel regelmäßig Integrationsklassen an, in denen sie mit einem DaZ-Konzept arbeitet und dabei den Entwicklungsstand jedes Kindes individuell berücksichtigt. Inhaltliche Schwerpunkte liegen unter anderem auf Buchstabensicherheit und richtigem Lautieren, sinnentnehmendem Lesen, aber auch auf Redefähigkeit, Hörverständnis und das Verwenden richtiger Artikel. Wie an vielen anderen Schulen wird auch hier spielerisch geübt. Memory, Pantomime oder Rollenspiele sollen den Kindern beim Spracherwerb helfen.

Sprachförderung bereits im frühkindlichen Alter

Für Kinder mit Migrationshintergrund, die mit ihrer Familie bereits länger in Deutschland leben, ist es sinnvoll, früh mit der zweiten Sprache konfrontiert zu werden. Das gilt vor allem dann, wenn die Eltern selbst Probleme mit der zweiten Sprache haben. Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass Migrantenkinder später das Gymnasium besuchen, steigt um 55,6 Prozent, wenn sie ab dem zweiten Lebensjahr eine Einrichtung frühkindlicher Bildung besucht haben, belegt eine Studie der Bertelsmanns Stiftung. Aber obwohl die Länder 2004 einen gemeinsamen Rahmen für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen entwickelt haben, sieht die Realität meist anders aus.

Dass Integration gelingen kann, zeigt der Fall der vielzitierten Rütli Schule in Berlin Neukölln. Im Jahr 2006 geriet die Gesamtschule bundesweit in die Schlagzeilen. In einem offenen Brief hatten die dort angestellten Lehrer auf die Missstände der Schule und die Gewalt der Schüler untereinander und gegenüber den Lehrern aufmerksam gemacht. Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund war hoch, rund 80 Prozent der 267 Schüler waren Muslime. Heute, zehn Jahre später, hat sich hier viel verändert. Mittlerweile besuchen gut 900 Schüler von der ersten Klasse bis zum Abitur die modernisierte Schule. "Die Erstklässler kommen mit stark unterschiedlichen Fähigkeiten", sagt Grundstufenleiterin Christina Eichholz gegenüber der Zeitung Welt. "Manche können lesen und schreiben, andere wissen nicht, wie man einen Stift hält." Die Kinder werden so gut es geht in ihren schulischen Leistungen gefördert, auch wenn einige die „Schulanfangsphase“ wiederholen müssten. Die Schule gilt mittlerweile als Beispiel, wie Integration im Bereich Bildung erfolgreich sein kann.

Quellen

bpb-Bundeszentrale für politische Bildung: Migrantenkinder im Bildungssystem - doppelt benachteiligt
» www.bpb.de/apuz/30801/migrantenkinder-im-bildungssystem-doppelt-benachteiligt?p=all#footnodeid_1-1
DaZ-Konzept der Grundschule Tostedt
» www.gs-tostedt.de/dokumente/DaZ-Konzept.pdf
Wie die Rütli-Schule doch noch erfolgreich wurde
» www.welt.de/politik/deutschland/article129779285/Wie-die-Ruetli-Schule-doch-noch-erfolgreich-wurde.html

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Über den Autor/die Autorin

Anna Bahr hat an der Universität Leipzig ihr Germanistik- und Philosophiestudium abgeschlossen. Seit einigen Jahren arbeitet sie als freie Redakteurin. Ihre thematischen Schwerpunkte sind Kinder und Familie sowie Kunst und Kultur.

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