80ster Jahrestag der Bücherverbrennung

Wissen und Bildung
© silvae - Fotolia.de
von Dr. Birgit Ebbert
Schon kurz nach dem Wahlsieg Hitlers begann die Studentenschaft 1933 ihre "Aktion wider den undeutschen Geist" zu planen. Mit mehreren Rundschreiben forderten sie die örtlichen Studentenschaften auf, sich an der Aktion zu beteiligen, deren Höhepunkt die Bücherverbrennung
am 10. Mai bilden sollte.
Lesedauer:
6 min

Die studentische "Aktion wider den undeutschen Geist"


Schon kurz nach dem Wahlsieg Hitlers begann die Studentenschaft 1933 ihre "Aktion wider den undeutschen Geist" zu planen. Mit mehreren Rundschreiben forderten sie die örtlichen Studentenschaften auf, sich an der Aktion zu beteiligen, deren Höhepunkt die Bücherverbrennung am 10. Mai bilden sollte. Vorher sollten bereits jüdische, kommunistisch und demokratisch denkende Professoren und Studenten aus den Unis vertrieben werden. Mit der Aufrichtung eines "Schandpfahls" wenige Tage vor der Bücherverbrennung wollten die Studenten zusätzlich Aufmerksamkeit erzeugen. An den Schandpfahl sollten u. a. Schriften von Stefan Zweig genagelt werden, aber wie Bilder der wenigen errichteten Schandpfähle zeigen, fanden sich hier auch andere Bücher wieder.

Die Organisation der Bücherverbrennung begann am 26. April mit einer Art Razzia in Universitäts- und Institutsbibliotheken, bei der nach Büchern von Autoren, die auf der "Braunen Liste verbrennungswürdiger Literatur", standen gesammelt wurden. Diese Liste basierte auf den "Schwarzen Listen", die der Bibliothekar Dr. Wolfgang Hermann im Auftrag des Verbandes Deutscher Bibliothekare und des Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda im März 1933 erstellt hatte. Die "Braune Liste" wurde von der Studentenschaft an ihre örtlichen Organisationen verschickt.

Die Bücher, die in den Bibliotheken eingesammelt und von Buchhandlungen oder Privatleuten abgegeben wurden, wurden auf Wagen gesammelt und am 10. Mai in einem Fackelzug durch die Städte gezogen. An dem Fackelzug nahmen vor allem die Studenten teil, häufig in der Kleidung ihrer Verbindung, um die Festlichkeit der Aktion zu unterstreichen. Daneben folgten Mitglieder von SA, SA, Hitlerjugend und NSDAP und meist auch andere Bürger dem Bücherkarren zum Platz der Bücherverbrennung. Die eigentliche Veranstaltung begann zumeist mit einem Vortrag, in Berlin von Joseph Goebbels, in den anderen Städten von Professoren der jeweiligen Universität. Anschließend wurden die Feuersprüche verlesen und dabei die Bücher in ein vorbereitetes Feuer geworfen. In fast allen Uni-Städten endete die Veranstaltung mit dem Absingen des Horst-Wessel-Liedes. Und in fast allen Uni-Städten fand die Bücherverbrennung statt. Lediglich an den Universitäten in Württemberg wurden keine Bücherverbrennungen durchgeführt, weil der Landesführer des Studentenbundes in Württemberg, Gerhard Schumann, die Teilnahme an der Aktion verbot. Trotz scharfer Proteste einzelner Studentenschaften in Berlin gelang es ihm, das Verbot aufrecht zu erhalten.

Die studentische Bücherverbrennung fand auch in kleinen Städten Nachahmer wie Kapitel 2 zeigt. Für viele der Autoren, deren Bücher im Scheiterhaufen landeten, war die Bücherverbrennung der Anfang vom Ende ihrer Karriere. Manche waren im Mai 1933 schon aus Deutschland geflohen, andere emigrierten, viele wurden mit Schreib- und/oder Publikationsverbot belegt. Einige nahmen sich in der Emigration das Leben und selbst jene, die das Ende der Nazi-Herrschaft erlebten, konnten nicht unbedingt an ihren früheren Ruhm anknüpfen. In Kapitel 3 finden Sie die Autoren, die in den Feuersprüchen erwähnt wurden und die heute kaum noch bekannt sind. Emil Ludwig zum Beispiel schrieb umfangreiche Biografien von Persönlichkeiten wie Lincoln und Goethe, die heute selbst Experten oft nicht bekannt sind.

In den letzten Jahrzehnten hat das Gedenken an die Bücherverbrennung an Bedeutung gewonnen, auch in diesem Jahr wird es einige Veranstaltungen zur Erinnerung geben und manche Projekte wie die aus Kapitel 4 sorgen über den Jahrestag hinaus dafür, dass diese "Aktion wider den undeutschen Geist" nicht vergessen wird.

Die Bücherverbrennung 1933 war Teil einer ganzen Aktion, die so vielschichtig ist, dass sie in einem Artikel nur groß skizziert werden kann. Kapitel 5 enthält daher Links und Literatur mit weiteren Informationen rund um die Bücherverbrennung 1933.

Die Orte der Bücherverbrennung


Die Bücherverbrennung war Teil der studentischen "Aktion wider den undeutschen Geist", daher fand sie am 10. Mai 1933 vor allem in Universitätsstädten statt und nahm dort jeweils einen ähnlichen Verlauf. Darüber hinaus gab es schon vorher kleine Aktionen, bei denen zum Beispiel Mitglieder der SS oder SA Bücher verbrannten, als sie Gewerkschaftshäuser plünderten wie in Braunschweig. In anderen Städten waren es Schüler und Lehrer, die eine Bücherverbrennung initiierten, zum Beispiel am 1. April in Wuppertal. In manchen Uni-Städten mussten die Veranstaltungen im Rahmen der studentischen Aktion wegen Terminkollisionen vorverlegt werden.

Eine Übersicht der Orte zum Download
» Orte der Bücherverbrennungen (doc)
» Orte der Bücherverbrennungen (pdf)

In dem Blog www.buecherverbrennung.de werden die Aktionen der Städte kurz beschrieben und hier finden sich ggf. auch Links zu den Orten und zu Gedenkveranstaltungen.
» http://buecherverbrennung.wordpress.com/ubersicht-orte/

Autoren, deren Bücher verbrannt wurden


Es ist kaum möglich, genau zu sagen, welche Bücher von welchen Autoren wirklich verbrannt wurden. Zwar lag der Bücherverbrennung eine Liste von Autoren vor, die "Braune Liste verbrennungswürdiger Literatur", und man darf davon ausgehen, dass die Bücher dieser Autoren irgendwo in Deutschland verbrannt wurden. Zeitungsartikel und Listen aus Büchereien zeigen jedoch, dass es auch darüber hinaus Bücher gab, die verbrannt wurden. Ein Beispiel sind die Werke Thomas Manns. Er steht nicht auf der Liste der zu verbrennenden Bücher, allerdings taucht sein Name in Zeitungsartikeln über örtliche Bücherverbrennungen auf. Letztlich entscheidend war, wer vor Ort was als unwürdig einstufte.

Die Widersprüchlichkeit wird da besonders deutlich, wo nur einzelne Werke eines Autors auf der Liste standen wie bei Jack London, zu dem explizit gesagt wird: "nur: Zwangsjacke, Eiserne Ferse", oder einzelne Werke ausgenommen werden wie bei Erich Kästner, bei dem die Liste vermerkt: "alles außer Emil".

Von der Konzeption der Bücherverbrennung her, bei der die "Feuersprüche" verlesen und anschließend jeweils Bücher ins Feuer geworfen wurden, darf davon ausgegangen werden, dass in jedem Fall die Bücher der Autoren aus den Feuersprüchen verbrannt wurden:

Georg Bernhard (1875 - 1944)
Friedrich Wilhelm Förster (1869 - 1966)
Sigmund Freud (1856 - 1939)
Ernst Gläser (1902 - 1963)
Werner Hegemann (1881 - 1936)
Erich Kästner (1899 - 1974)
Karl Kautsky (1854 - 1938)
Alfed Kerr (1967 - 1948)
Emil Ludwig (1881 - 1948)
Heinrich Mann (1871 - 1950)
Karl Marx (1818 - 1883)
Carl von Ossietzky (1889 - 1938)
Erich Maria Remarque (1898 - 1970)
Kurt Tucholsky (1890 - 1935)
Theodor Wolff (1868 - 1943)

Übersichten weiterer Autoren finden sich auf den folgenden Internetseiten:
» http://www.verbrannte-buecher.de
» http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_verbrannten_B%C3%BCcher_1933
» http://literaturblog-duftender-doppelpunkt.at


Projekte rund um die Bücherverbrennung


Seit der Journalist Jürgen Serke Mitte der 70er Jahre in einer Reportage auf die "verbrannten Dichter" hinwies, gibt es immer wieder Projekte, die an die Bücherverbrennung erinnern sollen. Sie versuchen auf ganz unterschiedliche Weise aufzurütteln.

"Ein Ort zum Lesen" heißt eine Aktion, die seit einigen Jahren in Berlin auf dem Bebelplatz, dem Platz der Berliner Bücherverbrechung, durchgeführt wird. Am 10. Mai wurden und werden auch in diesem Jahr rote, orange und graue Stühle aufgestellt, die Feuer und Asche symbolisieren. Dazu gibt es Bücher, deren frühere Ausgaben verbrannt wurden, und die die Passanten lesen können.
» www.einortzumlesen.de

Mit "Brandflecken" sorgt der Münchener Künstler Wolfram Kastner seit Jahren dafür, dass die Orte der Bücherverbrennung nicht in Vergessenheit geraten. Er brennt im wahrsten Sinne des Wortes große Löcher in das Gras, das über die Bücherverbrennung gewachsen ist.
» http://www.ikufo.de/index.html

Mit seinem Online-Atlas Bücherverbrennung will der Fotograf Jan Schenck die Orte der Bücherverbrennung und was aus ihnen geworden ist, dokumentieren und ergänzt um Informationen zu den Hintergründen im Internet veröffentlichen.
» www.verbrannte-orte.de

Die Else-Lasker-Schüler-Stiftung Verbrannte und verbannte Dichter hat sich zum Ziel gesetzt, ein Zentrum einzurichten, in dem die Autoren, deren Bücher 1933 verbrannt wurden, mit ihren Werken versammelt sind. Daneben sollen sich hier aber auch Werke von Dichtern aus anderen Ländern finden, die in späteren Jahren fliehen und emigrieren mussten.
» www.else-lasker-schueler-gesellschaft.de

In einem Blog zum Gedenken an die Bücherverbrennung veröffentliche ich selbst fast täglich Informationen über die Orte und Autoren, die von der Bücherverbrennung betroffen waren, über zeitgeschichtliche Hintergründe und über die Entstehung meines Romans "Brandbücher", der die Geschehnisse rund ud die Bücherverbrennung in Münster aufgreift.
» www.buecherverbrennung.de

Links & Literatur


Links

» Blog über Hintergründe der Bücherverbrennung sowie Projekte zum Gedenken an die Bücherverbrennung

» Informationen und Dokumente

» Bibliothek verbrannter Bücher

Literatur
  • Drews, Richard / Kantorowicz, Alfred: verboten und verbrannt. Deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt. Neuauflage des 1947 erschienen Buches: München: Kindler Verlag 1983

  • Ebbert, Birgit: Brandbücher. Meßkirch: Gmeiner Verlag 2013
    (erscheint am 1. Juli 2013)

  • In jenen Tagen... Schriftsteller zwischen Reichstagsbrand und Bücherverbrennung. Eine Dokumentation. Leipzig, Weimar: Gustav Kiepenheuer Verlag 1983

  • Sauder, Gerhard: Die Bücherverbrennung. Zum 10. Mai 1933. München, Wien: Carl Hanser Verlag 1983

  • Serke, Jürgen: Die verbrannten Dichter. Lebensgeschichten und Dokumente. Weinheim, Basel: Beltz & Gelberg 1992

  • Stichtag der Barberei - Anmerkungen zur Bücherverbrennung 1933. Hrsg. von Nils Schiffhauer und Carola Schnelle. Postskriptum Verlag 1983

  • Treß, Werner: Wider den undeutschen Geist. Bücherverbrennung 1933. Berlin: Parthas Verlag 2003

  • Verweyen, Theodor: Bücherverbrennungen.
    Universitätsverlag Winter 2000

  • Walberer, Ulrich: 10. Mai 1933 - Bücherverbrennung in Deutschland und die Folgen. Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1983
Beitrag teilen:
Themen:
3. Reich
Bücherverbrennung
Erich Kästner
Mai 1933
Erich Maria Remarque
Literatur
Kurt Tucholsky
NS-Geschichte
Nationalsozialismus
Über den Autor/die Autorin

Dr. Birgit Ebbert ist freie Autorin und als Diplom-Pädagogin seit vielen Jahren in der Elternarbeit und Lehrerfortbildung tätig. Neben Kinderbüchern und Krimis schreibt sie Elternratgeber, Lernhilfen, Vorlesegeschichten und Bücher über kreatives Arbeiten mit Papier.

Weitere Beiträge lesen