Versteckter und offener Rassismus an der Schule

Versteckter und offener Rassismus an der Schule
Offener Rassismus ist leider in Deutschland immer wieder Teil des Alltags vieler Menschen. Das wissen wir aus der Geschichte dieses Landes, ebenso zeigt es die Gegenwart. Aber auch der sogenannte versteckte Rassismus, der sich in unterschwelligeren Übergriffen – wie abwehrendem Verhalten oder teils von den Akteuren selbst nicht bewusst wahrgenommenen Aussagen – zeigt, prägt das Miteinander. Die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung macht deutlich, dass rassistische Einstellungen keineswegs überwunden sind, sondern sich in veränderter Form weiterhin manifestieren.
Vielfalt und Toleranz stärken das Miteinander der Menschen. Wir alle sind unterschiedlich, haben unsere Geschichten und wünschen uns ein sicheres Leben in Frieden. So geht es Menschen, die in Deutschland geboren sind, ebenso wie denen, die auf anderen Wegen hier her kamen. Seit dem Jahr 2015 haben wir durch Kriege und geopolitische Veränderungen eine stärkere Zuwanderung in Deutschland erlebt. Auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der 2022 begann, hat viele Menschen ihrer Heimat beraubt und zur Flucht gedrängt. Inzwischen sinken die jährlichen Zahlen der Schutzsuchenden in Deutschland wieder. Viele Menschen haben hier ein neues Zuhause für sich und teilweise auch ihre Familien gefunden.
Dies führt dazu, dass sich unsere Gesellschaft verändert und somit auch das Bild an deutschen Schulen:
Schülerinnen und Schüler mit Migrationsgeschichte und internationalen Biografien gehören dort schon lange zur Realität. In vielen Klassen in Deutschland lernen auch geflüchtete Kinder. Dies kann weiteres Konfliktpotential bedeuten, eine gute Inklusion ist nötig. Schulen und Lehrkräfte brauchen mehr Fachwissen über verschiedene kulturelle Aspekte und Religionen. Damit sollte sich auch in den Klassenzimmern auseinandergesetzt werden, damit alle Kinder gut und gerne zusammen lernen können.
Hier gilt es seitens der Schulen, eine klare Position zu beziehen – eine Position, die von allen Beteiligten Respekt und Toleranz einfordert und die jedweder Form von Rassismus energisch entgegen tritt.
Versteckter oder offener Rassismus?
Beim versteckten Rassismus richtet sich die Ablehnung nicht unmittelbar gegen die Nationalität oder Religionszugehörigkeit einer bestimmten Person oder eines Personenkreises. Es wird vielmehr nach anderen „guten“ Gründen gesucht, um das eigene Handeln zu rechtfertigen.
Versteckter Rassismus äußert sich häufig in allgemeinen Vorwänden. Dabei werden vage Vorurteile und Ängste instrumentalisiert wie zum Beispiel die Angst vor einer Benachteiligung der eigenen Person oder der Gruppe, der man sich zugehörig fühlt, durch andere. Konkret lässt sich dieses Phänomen beispielsweise an der Bewegung „PEGIDA“ beobachten, die das Schreckgespenst der „Islamisierung des Abendlandes“ und der damit verbundenen Nachteile für die „christlich-jüdische Abendlandkultur“ an die Wand gemalt haben.
Die eigentlichen Gründe für die Ablehnung, nämlich schlicht die Angst vor Überfremdung und die daraus resultierende Ablehnung der Zuwandernden, werden durch den Vorwand verschleiert. Auch beim so genannten „Alltagsrassismus“ handelt es sich um versteckten Rassismus. Die entscheidenden Kriterien sind Abwertung und Ungleichbehandlung wie zum Beispiel die Benachteiligung von Schülerinnen und Schülern einer Klasse aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie.
Solche Arten der Diskriminierung sind in der Regel schwer zu fassen und lassen sich selten belegen. Selbst bei verbalen Diffamierungen oder gar Pöbeleien gegenüber anderen lässt sich oft nicht zweifelsfrei feststellen, ob diese aufgrund bestimmter Persönlichkeitsmerkmale wie zum Beispiel der Hautfarbe erfolgt sind, wenn Täter dies nicht offen eingestehen.
Beim offenen Rassismus finden Ablehnung und Anfeindungen gegenüber einer bestimmten Person oder einem Personenkreis offen statt. Die Herkunft bzw. Religionszugehörigkeit wird dabei unmittelbar als Grund benannt.
Rassismus – ein Tabu in Deutschland
Politikerinnen und Politiker wiederholen gebetsmühlenartig multikulturelle Beschwörungsrituale: Rassismus habe in Deutschland keinen Platz. Sie verleugnen damit ein Stück der gesellschaftlichen Realität, denn viele Menschen erleben ihn täglich – auch in Deutschland. Dringen solche Ereignisse an die Öffentlichkeit, so werden sie als Einzelfall skandalisiert und nicht als das dargestellt, was sie sind: etwas sehr Alltägliches.
Bedauerlicherweise ist Rassismus auch an vielen deutschen Schulen noch immer ein Tabu-Thema, obgleich offene oder versteckte Diskriminierungen an der Tagesordnung sind. Wissenschaftliche Studien und Betroffene selbst berichten regelmäßig von stereotypischen Anspielungen, Beleidigungen und Herabstufungen der schulischen Leistungen von Schülerinnen und Schülern.
Defizite bei der Lehrkräftebildung
Aufgrund des herrschenden Tabus werden die Fähigkeit zur Toleranz bei den Schülerinnen und Schülern und die Kompetenzen der Lehrkräfte bzw. deren faktische Möglichkeiten, Konflikte erfolgreich zu moderieren, regelmäßig deutlich überschätzt. Lehramtsstudierende verdrängen die Problematik meist so lange, bis sie in der schulischen Realität massiv damit konfrontiert werden. Sie sind nicht darauf vorbereitet, dass es eine nicht zu unterschätzende Größe Kinder und Jugendlicher mit ausländerfeindlichen und sogar rechtsextremen Einstellungen gibt – Tendenz wieder steigend. Sie unterschätzen häufig auch das Konfliktpotenzial, das zum Beispiel durch muslimisch geprägte Schülerinnen und Schüler entsteht, die mitunter Vorurteile gegenüber Angehörigen anderer Glaubensrichtungen haben.
Wenn sie dann später selbst in ihren Klassen auf derartige Konflikte treffen, sind sie oft überfordert und reagieren emotional und unsachlich, womit sie die Auseinandersetzung unter Umständen unnötig verschärfen. So schleift es sich nicht selten ein, dass Akteure lediglich zum Schweigen gebracht, die zugrunde liegenden Konflikte aber nicht bearbeitet werden, was zwangsläufig zu weiteren Konflikten führt.
Problematisch ist auch die Tatsache, dass Lehrkräfte Kindern mit Migrationshintergrund häufig bewusst oder unbewusst eine negative Einstellung entgegen bringen. Sie behindern damit den Lernerfolg dieser Schülerinnen und Schüler, denn Kinder, die sich diskriminiert fühlen, erbringen auch schlechtere Leistungen. Und es kommt auch hier zur offenen Diskriminierung: Kinder mit Migrationshintergrund werden bspw. bei gleichem Notendurchschnitt seltener fürs Gymnasium empfohlen.
Fazit
So lange wir nicht akzeptieren, dass es Rassismus auch in Deutschland und Europa gibt, nehmen wir uns die Möglichkeiten, das Phänomen an den Wurzeln zu bekämpfen. Intoleranz und Rassismus dürfen nicht mit Toleranz belohnt werden – nicht in der Gesellschaft und nicht an Schulen. Sie sind zu ächten, von welcher Seite auch immer sie herrühren.
Unser Grundgesetz rechtfertigt dies in jeder Hinsicht und zwar nicht nur im Hinblick auf die Religionsfreiheit: in den Artikeln eins bis drei sind die Unantastbarkeit der Würde eines jeden Menschen, die Gleichberechtigung von Mann und Frau und das Verbot, andere wegen ihres Glaubens, ihrer Weltanschauung, ihrer Sprache und Heimat verächtlich zu machen, festgeschrieben.
Lehrkräfte tragen dabei in unserer Gesellschaft eine sehr hohe Verantwortung. Sie müssen in die Lage versetzt werden, mit dem offenen und latenten Rassismus an Schulen besser umzugehen, indem sie eigene Einstellungen bewusst hinterfragen und rassistische Tendenzen in ihren Klassen erkennen und moderieren lernen. Anti-Rassismus-Trainings müssen künftig Pflichtteil des Lehramtsstudiums werden.
Linktipps

Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.