Versteckter und offener Rassismus an der Schule

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von Christine Kammerer
Offenen Rassismus traf man in Deutschland bislang relativ selten an. Erst seit der starken Zuwanderung im September 2015 sehen wir uns in der Gesellschaft stärker mit offen rassistischen Tendenzen konfrontiert. Bis dahin handelte es sich in aller Regel meist um unterschwellige Übergriffe - ein abwehrendes Verhalten, das den Akteuren selbst oft nicht einmal so recht bewusst wurde.
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Offenen Rassismus traf man in Deutschland bislang relativ selten an. Erst seit der starken Zuwanderung im September 2015 sehen wir uns in der Gesellschaft stärker mit offen rassistischen Tendenzen konfrontiert. Bis dahin handelte es sich in aller Regel meist um unterschwellige Übergriffe - ein abwehrendes Verhalten, das den Akteuren selbst oft nicht einmal so recht bewusst wurde.

Wir werden künftig mit einer sehr großen Anzahl von Menschen unterschiedlichster Ethnien und Religionszugehörigkeiten zusammen leben und die gravierenden Veränderungen unserer Gesellschaft prägen auch das Bild an deutschen Schulen:

Schüler mit Migrationshintergrund gehören dort schon lange zur Realität, doch in vielen Klassen wird die Vielfalt durch den starken Zuzug von Flüchtlingen deutlich zunehmen. Mit dieser Vielfalt werden wir uns auch vermehrt mit Konflikt unter den einzelnen Ethnien bzw. Religionen auseinander setzen müssen. Hier gilt es seitens der Schulen, eine klare Position zu beziehen – eine Position, die von allen Beteiligten Respekt und Toleranz einfordert und die jedweder Form von Rassismus energisch entgegen tritt.

Versteckter oder offener Rassismus?

Beim versteckten Rassismus richtet sich die Ablehnung nicht unmittelbar gegen die Nationalität oder Religionszugehörigkeit einer bestimmten Person oder eines Personenkreises. Es wird vielmehr nach anderen „guten“ Gründen gesucht, um das eigene Handeln zu rechtfertigen.

Versteckter Rassismus äußert sich häufig in allgemeinen Vorwänden. Dabei werden vage Vorurteile und Ängste instrumentalisiert wie zum Beispiel die Angst vor einer Benachteiligung der eigenen Person oder der Gruppe, der man sich zugehörig fühlt, durch andere. Konkret lässt sich dieses Phänomen derzeit zum Beispiel bei der Bewegung „PEGIDA“ beobachten, die das Schreckgespenst der „Islamisierung des Abendlandes“ und der damit verbundenen Nachteile für die „christlich-jüdische Abendlandkultur“ an die Wand malen.

Die eigentlichen Gründe für die Ablehnung, nämlich schlicht die Angst vor Überfremdung und die daraus resultierende Ablehnung der Zuwanderer, werden durch den Vorwand verschleiert. Auch beim so genannten „Alltagsrassismus“ handelt es sich um versteckten Rassismus. Die entscheidenden Kriterien sind Abwertung und Ungleichbehandlung wie zum Beispiel die Benachteiligung von Schülern einer Klasse aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie.

Solche Arten der Diskriminierung sind in der Regel schwer zu fassen und lassen sich selten belegen. Selbst bei verbalen Diffamierungen oder gar Pöbeleien gegenüber anderen lässt sich oft nicht zweifelsfrei feststellen, ob diese aufgrund bestimmter Persönlichkeitsmerkmale wie zum Beispiel der Hautfarbe erfolgt sind, wenn Täter dies nicht offen eingestehen.

Beim offenen Rassismus finden Ablehnung und Anfeindungen gegenüber einer bestimmten Person oder einem Personenkreis offen statt. Die Herkunft bzw. Religionszugehörigkeit wird dabei unmittelbar als Grund benannt.

Rassismus – ein Tabu in Deutschland

Politiker wiederholen gebetsmühlenartig multikulturelle Beschwörungsrituale: Rassismus habe in Deutschland keinen Platz. Sie verleugnen damit ein Stück der gesellschaftlichen Realität, denn viele Menschen erleben ihn täglich – auch Deutsche. Dringen solche Ereignisse an die Öffentlichkeit, so werden sie als Einzelfall skandalisiert und nicht als das dargestellt, was sie sind - etwas sehr Alltägliches.

Bedauerlicherweise ist Rassismus auch an vielen deutschen Schulen noch immer ein Tabu-Thema, obgleich offene oder versteckte Diskriminierungen an der Tagesordnung sind. Wissenschaftliche Studien und Betroffene selbst berichten regelmäßig von stereotypischen Anspielungen, Beleidigungen und Herabstufungen der schulischen Leistungen von Schülern - nicht zuletzt auch gegenüber deutschen Kindern und Jugendlichen.

Defizite bei der Lehrerbildung

Aufgrund des herrschenden Tabus werden die Fähigkeit zur Toleranz bei den Schülern und die Kompetenzen der Lehrer bzw. deren faktische Möglichkeiten, Konflikte erfolgreich zu moderieren, regelmäßig deutlich überschätzt. Lehramtsstudenten verdrängen die Problematik meist so lange, bis sie in der schulischen Realität massiv damit konfrontiert werden. Sie sind nicht darauf vorbereitet, dass es eine nicht zu unterschätzende Größe Kinder und Jugendlicher mit ausländerfeindlichen und sogar rechtsextremen Einstellungen gibt. Sie unterschätzen häufig auch das Konfliktpotenzial, das zum Beispiel durch muslimisch geprägte Schüler entsteht, die sich mitunter sehr intolerant und respektlos gegenüber Angehörigen anderer Glaubensrichtungen verhalten.

Wenn sie dann später selbst in ihren Klassen auf derartige Konflikte treffen, sind sie oft überfordert und reagieren emotional und unsachlich, womit sie die Auseinandersetzung unter Umständen unnötig verschärfen. So schleift es sich nicht selten ein, dass Akteure lediglich zum Schweigen gebracht, die zugrunde liegenden Konflikte aber nicht bearbeitet werden, was zwangsläufig zu weiteren Konflikten führt.

Problematisch ist auch die Tatsache, dass Lehrer Kindern mit Migrationshintergrund häufig bewusst oder unbewusst eine negative Einstellung entgegen bringen. Sie behindern damit den Lernerfolg dieser Schüler, denn Kinder die sich diskriminiert fühlen erbringen auch schlechtere Leistungen. Und es kommt auch hier zur offenen Diskriminierungen: Kinder mit Migrationshintergrund werden bei gleichem Notendurchschnitt seltener fürs Gymnasium empfohlen.

Fazit

So lange wir nicht akzeptieren, dass es Rassismus auch in Deutschland und Europa gibt, nehmen wir uns die Möglichkeiten, das Phänomen an den Wurzeln zu bekämpfen. Intoleranz und Rassismus dürfen nicht mit Toleranz belohnt werden – nicht in der Gesellschaft und nicht an Schulen. Sie sind zu ächten, von welcher Seite auch immer sie herrühren.

Unser Grundgesetz rechtfertigt dies in jeder Hinsicht und zwar nicht nur im Hinblick auf die Religionsfreiheit: in den Artikeln eins bis drei sind die Unantastbarkeit der Würde eines jeden Menschen, der Gleichberechtigung von Mann und Frau und das Verbot, andere wegen ihres Glaubens, ihrer Weltanschauung, ihrer Sprache und Heimat verächtlich zu machen, festgeschrieben.

Lehrer tragen dabei in unserer Gesellschaft eine sehr hohe Verantwortung. Sie müssen in Lage versetzt werden mit dem offenen und latenten Rassismus an Schulen besser umzugehen, indem sie eigene Einstellungen bewusst hinterfragen und rassistischen Tendenzen in ihren Klassen erkennen und moderieren lernen. Anti-Rassismus-Trainings müssen künftig Pflichtteil des Lehramtsstudiums werden.

Linktipps

Rechtsextreme Schüler: "Rassismus ist ein absolutes Tabuthema" (www.zeit.de)

Rassismus und Diskriminierung an Hamburger Schulen (www.agij.de)

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Über den Autor/die Autorin
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Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.

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