Rechtsextremismus unterwandert soziale Netzwerke

Entwicklung und Erziehung
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von Christine Kammerer
Rechtsextreme sind in allen sozialen Netzwerken aktiv - sie verbreiten dort ihre politischen Botschaften und rekrutieren neue Anhänger. Trotz aller gemeinsamen Bemühungen von Webseiten-Betreiber und Jugendschutzorganisationen gelingt es nicht, diese Aktivitäten gänzlich zu unterbinden.
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Offensive Rekrutierungsstrategien

Erklärtes Ziel rechtsextremer Organisationen wie der NPD ist es, "von möglichst vielen Menschen entdeckt, kennengelernt und kontaktiert" zu werden.

Die "Deutsche Stimme", das zentrale Nachrichtenorgan der NPD, liefert Mitgliedern und Sympathisanten in der Märzausgabe 2011 "Die NPD in der virtuellen Welt" sehr konkrete Handlungsanweisungen zur Unterwanderung sozialer Netzwerke: "Die Vorgehensweise am Beispiel MeinVZ: Der erste Schritt: Ein interessantes, detailreiches und sympathisches Profil, das ihr nach der Anmeldung zunächst erstellen müßt."

Der Artikel erläutert detailliert, was bei der Erstellung eines erfolgreichen Profils zu beachten ist und schließt mit dem Aufruf: "Raus aus den Hinterzimmern, raus auf die Straße, raus in den Kampf mit modernen Kommunikationsmitteln!"

Wolf im Schafspelz

Niedersachsens Verfassungsschutzpräsident Hans Wargel befürchtet: "Jugendliche werden über den Austausch in den Foren vermehrt an die rechtsextremistische Szene herangeführt und auch angeworben."

Auch Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) warnt vor der verstärkten Nutzung sozialer Netzwerke durch Rechtsradikale: "Sie suchen Gefolgschaft, werben für ihre Gesinnung und verbreiten Propaganda." y

Simone Rafael, Redakteurin der Plattform netz-gegen-nazis.de, erläutert, warum man die Unterwanderung der Netzwerke nicht einfach ignorieren kann: "Neonazis verfolgen - online wie offline - eine Wortergreifungsstrategie. Sie versuchen, Themen zu setzen, Diskussionen in eine gewünschte Richtung zu lenken, Dominanz zu erringen. Im Internet gelingt ihnen das mehr als im wirklichen Leben."

Hinzu kommt, dass Indoktrination und Anwerbeversuche für Kinder und Jugendliche auf den ersten Blick oft nicht als solche zu erkennen sind. "Die Rechtsextremisten tauchen in den sozialen Netzwerken im Internet als Wolf im Schafspelz auf. Sie äußern sich zunächst ganz unverfänglich und versuchen dadurch das Vertrauen der anderen Teilnehmer zu erschleichen. Das ist eine neue Strategie", so Wargel.

Plattformen wehren sich

Die allermeisten Betreiber sozialer Netzwerke wie zum Beispiel Schüler-VZ sind problembewusst:

"Wir setzen auf eine Kombination aus klaren Regeln, Projekte gegen Rechtsextremismus und gehen jedem Nutzer-Hinweis sofort nach", so VZ-Sprecher Dirk Hensen. Sobald man Kenntnis von rechtsextremen Inhalten, Profilen oder Gruppen erhalte, würden diese überprüft und sofort gelöscht.

Fast alle Netzwerke bieten ihren Nutzern die Möglichkeit, fragwürdige Beiträge zu melden.

jugendschutz.net bescheinigt den meisten Anbietern eine konsequente und zügige Vorgehensweise bei der Löschung rechtsextremer Inhalte. Doch die Selbstkontrolle der Anbieter stößt an ihre Grenzen.

Die Videoplattform Youtube räumt offen ein, man könne nicht vor dem Hochladen überprüfen, was eingestellt würde: "Da permanent eine extrem große Menge an Inhalten auf Youtube eingestellt wird - pro Minute werden weltweit 24 Stunden Videomaterial hochgeladen -, ist eine Vorabprüfung der hochgeladenen Videos ausgeschlossen", lässt die Presseabteilung verlauten. Wurde ein rechtsextremes Video allerdings schon einmal beanstandet und von der Seite genommen, kann der Nutzer es aufgrund einer speziellen Videoerkennungssoftware nicht noch einmal hochladen, selbst wenn die Datei umbenannt wird.

Vollständige Kontrolle unmöglich

In Netzwerken mit mehreren Millionen Nutzern, die Profile anlegen, sich aktiv in Gruppen organisieren und Dateien hochladen ist eine flächendeckende Kontrolle der Inhalte unmöglich.

Zwar haben die Anbieter in aller Regel Wortfilter installiert, die bei Begriffen wie "Hitler" oder "NPD" Alarm schlagen, doch wenn die rechtsextremen Verführer sich durch harmlose Sprache tarnen, bleibt diese Form der digitalen Gegenwehr wirkungslos.

Auch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien kann Kinder und Jugendliche nur eingeschränkt schützen, denn die Inhalte sind zwar mitunter fremdenfeindlich oder sogar rassistisch aber nicht "jugendgefährdend" im Sinne des Jugendschutzgesetzes.

Hinzu kommt ein weiteres Problem internationaler Betreiber wie facebook: Die Rechtslage ist von Land zu Land unterschiedlich und so fällt zum Beispiel die Leugnung des Holocaust in anderen Ländern wie den USA unter die "freie Meinungsäußerung".

Links zum Thema

www.jugendschutz.net
kontrolliert das Internet und sorgt für die Einhaltung des Jugendschutzes.
jugendschutz.net nimmt auch Hinweise auf Verstöße entgegen.

www.amadeu-antonio-stiftung.de/wir-ueber-uns/
Die Amadeu Antonio Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Sie unterstützt lokale Initiativen und Projekte in den Bereichen Jugend und Schule, Opferschutz und Opferhilfe, alternative Jugendkultur und Kommunale Netzwerke.

www.netz-gegen-nazis.de/
Initiative für Demokratie und Toleranz im Internet

www.soziale-netzwerke-gegen-nazis.de/fazit
Soziale Netzwerke gegen Nazis - Fazit einer Aktion im Jahr 2010 gegen Rechtsextremismus unter Beteiligung von 57 sozialen Netzwerken
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Über den Autor/die Autorin
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Christine Kammerer, Politologin M. A., Heilpraktikerin (Psychotherapie), freie Journalistin und Trainerin. Berufliche Stationen: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Kinderschutzbund.

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