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LogopÀdie bei Kindern

- Was Eltern hierĂŒber wissen sollten

Mutter und Sohn machen logopĂ€dische Übungen zusammen
Entwicklung und Erziehung
© Dan Race - Fotolia.de
von Alexandra von PlĂŒskow - Kaminski

FĂŒr viele Eltern ist diese Feststellung zunĂ€chst einmal ein Schreck. Der Gang zur logopĂ€dischen Behandlung stellt fĂŒr sie die eigene sprachliche Förderung des Kindes zu Hause infrage. Haben sie etwas versĂ€umt oder falsch gemacht?

Lesedauer:
7 min

Kommunikation von Anfang an

Wenn ein Kind zur Welt kommt, ist es schon ganz frĂŒh in der Lage, die Stimme seiner Mutter zu erkennen und sogar seine Muttersprache von Lauten anderer Sprachen zu unterscheiden. FrĂŒh tritt es mit seinen Eltern in Kommunikation, etwa dann, wenn es aus Hunger oder Unwohlsein schreit, wenn es spĂ€ter den Kopf in die Richtung, aus der ein GerĂ€usch kommt, wendet und wenn es auf Aufforderungen reagiert oder aber sich durch Zeigen verstĂ€ndlich machen möchte.

Auch seine Sprachentwicklung scheint „wie von selbst“ zu geschehen. So lernt Ihr Kind erste Wörter, hiernach benennt es „explosionsartig“ auf einmal viele Dinge, es spricht danach Zwei- bzw. DreiwortsĂ€tze und spĂ€ter bildet es ganze SĂ€tze und eignet sich nach und nach die Grammatik an.
Doch – was ist, wenn es mit dem Spracherwerb nicht so zu klappen scheint?

Unser Kind hat Probleme beim Sprechen ...

GrundsĂ€tzlich gilt, dass Eltern sich, sobald sie Sorgen hinsichtlich der sprachlichen Entwicklung ihres Kindes hegen, zeitnah an die ErzieherInnen bzw. LehrkrĂ€fte und auf jeden Fall an den Kinderarzt ihres Kindes wenden sollten. Im GesprĂ€ch mit den ErzieherInnen sollten Sie abklĂ€ren, ob und falls ja, inwiefern diese Ihre EindrĂŒcke teilen. Mit dem Kinderarzt sollten Sie ĂŒber Ihre Bedenken sprechen und auch die EindrĂŒcke der ErzieherInnen einbringen. Der Kinderarzt wird zunĂ€chst körperliche Ursachen wie etwa eine verminderte HörfĂ€higkeit ausschließen. Eventuell wird er zu einer logopĂ€dischen Behandlung raten.

LogopĂ€die fĂŒr unser Kind – wie gehen wir damit um?

FĂŒr viele Eltern ist diese Feststellung zunĂ€chst einmal ein Schreck. Der Gang zur logopĂ€dischen Behandlung stellt fĂŒr sie die eigene sprachliche Förderung des Kindes zu Hause infrage. Haben sie etwas versĂ€umt oder falsch gemacht? Wie sollen sie mit der Situation umgehen?

Machen Sie sich hiervon frei. Wenn ein Kind Schwierigkeiten beim Spracherwerb hat, kann dies vielerlei GrĂŒnde haben. Die LogopĂ€die bietet Ihrem Kind eine zusĂ€tzliche Chance, diesen Weg erfolgreich zu meistern.

Sprechen Sie mit Ihrem Kind ĂŒber die logopĂ€dische Behandlung und nehmen Sie seine möglichen Ängste oder Sorgen hierzu ernst. Schon wĂ€hrend der ersten Behandlungen wird Ihr Kind merken, dass die logopĂ€dische Behandlung kindgerecht und spielerisch vonstatten geht. Auch in Ihrem Freundeskreis sollten Sie offen mit dieser Situation umgehen. Informieren Sie ferner die KindertagesstĂ€tte bzw. die Schule Ihres Kindes ĂŒber die Behandlung. Sollte die logopĂ€dische Fachkraft es wĂŒnschen, ein GesprĂ€ch mit den ErzieherInnen bzw. LehrkrĂ€ften Ihres Kindes zu fĂŒhren, so sollten Sie dieses durch eine EinverstĂ€ndniserklĂ€rung ermöglichen.

Gemeinsame Arbeit ...

WĂ€hrend der Behandlung erhĂ€lt Ihr Kind viele Anregungen und optimalerweise auch Hausaufgaben. Greifen Sie diese zu Hause auf. Arbeiten Sie hier ohne Druck und tĂ€glich in kleinen Portionen von allerhöchstens zehn Minuten. Bleiben Sie zudem geduldig. Im ElterngesprĂ€ch, das die logopĂ€dische Fachkraft nach der Behandlung regelmĂ€ĂŸig mit Ihnen fĂŒhren wird, hören Sie von den Fortschritten Ihres Kindes und erhalten Tipps, wie Sie auf diese zu Hause reagieren können.

Sollte Ihr Kind also nachgewiesener Maßen unter einer Sprachstörung leiden, so ist der Besuch einer logopĂ€dischen Behandlung sehr sinnvoll. Wichtig ist, dass Sie als Elternteil offen mit der Situation umgehen und Ihr Kind zu Hause unterstĂŒtzen.

Das folgende Interview möchte Ihnen zudem Informationen zum Thema „LogopĂ€die bei Kindern“ bieten.
Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des Bundesverbandes fĂŒr LogopĂ€die e.V.: www.dbl-ev.de

Interview mit Ursula Seiffarth, LogopÀdin mit eigener Praxis in Andernach, Rheinland-Pfalz

1. Frau Seiffarth, seit wann arbeiten Sie als LogopÀdin - und welche Ausbildung haben Sie absolviert?

Seit mittlerweile 13 Jahren arbeite ich als LogopĂ€din, davon 11 Jahre in eigener Praxis. Ich habe damals ein vierjĂ€hriges Fachhochschulstudium in den Niederlanden absolviert, habe somit einen Bachelor – Abschluss.

2. Gibt es noch weitere Möglichkeiten, um den Beruf der LogopÀdin zu erlernen?

In der Regel ist es in Deutschland noch so, dass die Ausbildung an privaten oder staatlichen Fachschulen mit einer Dauer von drei Jahren stattfindet. Im Gegensatz dazu ist die LogopĂ€denausbildung fast im gesamten anderen europĂ€ischen Ausland schon lange akademisiert. Seit 2009 existiert jedoch in Deutschland ein Gesetz zur EinfĂŒhrung einer Modellklausel in das Berufsgesetz der LogopĂ€den. Damit kann nun auch im Bereich der LogopĂ€die eine Hochschulausbildung erprobt werden.

3. Das Berufsbild einer LogopÀdin ist vielseitig. Was umfasst Ihr Behandlungsspektrum?

Wir untersuchen, behandeln und beraten Menschen jeden Alters mit Sprach-, Sprech-, Stimm- oder Schluckstörungen, die organisch oder funktionell verursacht sind. Diese können beispielsweise sein: SÀuglinge oder Kleinkinder mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte oder einer angeborenen Hörstörung, Klein- oder Schulkinder mit Problemen des Spracherwerbs bzw. der Aussprache oder mit Lese- Rechtschreibschwierigkeiten. Hinzu kommen Kinder und Erwachsene mit Redeflussstörungen z.B. Stottern, Jugendliche und Erwachsene mit SchÀdel- Hirnverletzungen, neurologischen Erkrankungen (z.B. Schlaganfall), BerufstÀtige mit hoher stimmlicher Belastung wie Erzieherinnen oder Lehrerinnen und Erwachsene nach Kehlkopfoperationen.

Mein persönlicher Behandlungsschwerpunkt liegt auf der Behandlung von Kindern mit Problemen im Spracherwerb oder in der Aussprache. Hierbei behandele ich Kinder ab zwei Jahren. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Behandlung von stotternden Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Daneben kommen aber auch Kinder und Erwachsene mit Schluckstörungen, neurologischen Erkrankungen und Stimmstörungen in meine Praxis.

4. In Ihrer Praxis behandeln Sie viele Kinder. Welchen Sprachstörungen begegnen Sie hier?

Wir haben Kinder, die in allen sprachlichen Bereichen auffĂ€llig sind, das heißt sowohl im SprachverstĂ€ndnis, in der Grammatik, im Wortschatz als auch in der Artikulation. Es kann auch sein, dass Kinder nur in Teilbereichen Schwierigkeiten haben, wie zum Beispiel der Artikulation. Auch hierbei gibt es natĂŒrlich unterschiedliche Schweregrade: das eine Kind ersetzt alle möglichen Laute durch andere Laute oder lĂ€sst Laute aus und ist völlig unverstĂ€ndlich, das andere Kind vertauscht nur einen Laut durch einen anderen oder lispelt lediglich. Interessant dabei ist, dass bestimmte Lautverwechslungen Hinweise auf eine mögliche Lese-RechschreibschwĂ€che geben können. Viele Sprachentwicklungsstörungen gehen meist noch einher mit einer verminderten FĂ€higkeit, sich Dinge merken zu können oder einer eingeschrĂ€nkten sogenannten phonologischen Bewusstheit (Reimen, Wörter in Silben segmentieren können usw.).

Bei Wortschatzproblemen z.B. kann es sein, dass ein Kind entweder bestimmte Wörter und deren Merkmale gar nicht im Kopf hat oder diese zwar im Kopf hat, aber nicht abrufen kann. Jeder kennt das PhÀnomen, dass man ein bestimmtes Wort quasi auf der Zunge hat, was diese Kinder stÀndig haben. An Schulkindern haben wir ganz hÀufig solche, die nach einem Besuch beim KieferorthopÀden wegen eines falschen Schluckmusters und einer dadurch bedingten Zahnfehlstellung kommen oder Kinder mit einer Lese- RechtschreibschwÀche, die im Zusammenhang mit einer Sprachentwicklungsverzögerung stehen kann.
Außerdem behandeln wir Kinder und Jugendliche, die stottern oder poltern.

5. Wann ist eine logopÀdische Behandlung bei einem Kind sinnvoll? In welchem Alter sollte diese stattfinden?

Dies ist natĂŒrlich von der Art bzw. KomplexitĂ€t der SprachauffĂ€lligkeit abhĂ€ngig.
GrundsĂ€tzlich wĂŒrde ich mich als Eltern von einem Experten beraten lassen, sobald ich den Eindruck hĂ€tte, dass mit der Sprachentwicklung meines Kindes etwas nicht stimmt und wĂŒrde mich nicht mit dem gutgemeinten Ratschlag vertrösten lassen „das verwĂ€chst sich von selbst“. Vielleicht reichen gerade bei einem Zwei- oder DreijĂ€hrigen eine oder einige wenige Sitzungen aus, um die Eltern im Umgang hinsichtlich eines sprachfördernden Verhaltens dem jeweiligen Alter entsprechend anzuleiten oder einfach zu beruhigen. Es kann aber auch sinnvoll sein, gleich mit einer Therapie anzufangen.

6. Welche Methoden wenden Sie an, um Kinder in ihrer Sprachentwicklung zu unterstĂŒtzen?

Die Frage mĂŒssen Sie einer LogopĂ€din etwas anders stellen, denn wir machen keine SprachunterstĂŒtzung = Sprachförderung sondern Therapie. Die Abgrenzung zwischen Sprachförderung und Sprachtherapie ist gerade seit Bestehen der Sprachfördergruppen in den KindergĂ€rten besonders wichtig fĂŒr uns LogopĂ€den. Die UnterstĂŒtzung der Sprachentwicklung findet meist ganz natĂŒrlich im sprachlichen Umgang bzw. Spiel mit einem Kind statt und bedarf eigentlich keiner speziellen Methodik im Gegensatz zur Sprachtherapie. Allerdings mĂŒssen gerade Eltern sprachauffĂ€lliger Kinder hĂ€ufig hinsichtlich eines sprachfördernden Verhaltens angeleitet werden. Da Eltern solcher Kinder sich hĂ€ufig unheimlichen Druck machen, ist ihr Sprachverhalten oft unbewusst hemmend, indem sie zum Beispiel ein falsch ausgesprochenes Wort richtig nachsprechen lassen anstatt dem Kind eine sogenannte korrigierte Wiederholung zu geben (hemmendes sprachförderndes Verhalten wĂ€re: Kind sagt Sule, Muter sagt: das heißt nicht Sule sondern Schule, sprich mal nach: Schule; sprachförderndes Verhalten wĂ€re: Kind sagt Sule, Mutter sagt z.B.: Genau, bald gehst Du in die Schule.)

Wie Sie sich aufgrund der unterschiedlichen Sprachstörungen vorstellen können, gibt es unzĂ€hlige Therapiekonzepte dazu. Es wĂŒrde zu weit fĂŒhren, diese alle namentlich zu erwĂ€hnen. Wichtig ist es gerade in den Therapien mit kleineren Kindern die logopĂ€dischen Inhalte dem Alter entsprechend spielerisch zu verpacken. Einem Kind, was zum Beispiel „Sule“ anstatt „Schule“ sagt, den Laut „sch“ also durch „s“ ersetzt, wird der Laut /sch/ durch ein EisenbahngerĂ€usch, der Laut /s/ durch ein BienengerĂ€usch veranschaulicht. Mit diesen Lautsymbolen werden dann entsprechende Hör- bzw. Lautproduktionsspiele durchgefĂŒhrt.

7. Wie lange dauert eine logopÀdische Behandlung in der Regel?

Auch dies ist abhĂ€ngig von der Art der Sprachstörung und variiert zwischen einer Behandlung bis zu 60 Behandlungen und mehr. Nach den so genannten Heilmittelrichtlinien sind fĂŒr Artikulationsstörungen 30 Therapieeinheiten, fĂŒr eine Sprachentwicklungsverzögerung bzw. eine -störung 60 Therapieeinheiten im Regelfall vorgesehen.

8. Einige Eltern sind heutzutage unsicher, ob der Spracherwerb ihres Kindes „normal“ verlĂ€uft. Was raten Sie Eltern, die hier Zweifel hegen?

Es gibt grobe Richtwerte, was ein Kind in seiner sprachlichen Entwicklung beherrschen mĂŒsste. Weicht es in irgendeiner Form davon ab, wĂŒrde ich in jedem Fall fachlichen Rat aufsuchen. Diesen Rat bekommt man u.a. von niedergelassenen LogopĂ€den, Sprachtherapeuten und SprachheilpĂ€dagogen, Fachkliniken fĂŒr Hals- Nasen – Ohrenheilkunde, Kinderheilkunde bzw. Kinder -und Jugendpsychiatrie, Sprachheilambulanzen oder Sprachberatungsstellen. Oft sind KinderĂ€rzte und HausĂ€rzte die erste Anlaufstelle fĂŒr Eltern, die sich um das Sprechen ihres Kindes Sorgen machen. Hier können Sie meist entsprechende Adressen von Fachleuten oder Beratungseinrichtungen erhalten.

9. Haben Sie abschließend Tipps, wie Eltern ihre Kinder zu Hause sprachlich fördern können?

Eigentlich braucht es fĂŒr ein ganz normales sprachförderndes Verhalten nicht viel und die meisten Eltern werden erstaunt sein, wie sprachfördernd sie eigentlich automatisch schon tĂ€tig sind, wenn sie ganz normale kommunikative Regeln wie Zuhören und entsprechend auf das Kind Eingehen beherzigen. Sprechen soll in erster Linie sowohl Eltern als auch Kindern Spaß machen und nicht auf Druck erfolgen wie z.B. Sag mal der Oma, was das ist ..., sprich mal nach usw...Beim Bilderbuch betrachten kann man einzelne Wörter mit kleinen Geschichten umkreisen und anstatt eher einfordernde Fragen wie: Was ist das? – oder: Wie heißt das? - weniger fordernde Fragen wie: Was passiert denn hier? stellen. Bei alltĂ€glichen Gelegenheiten wie Kuchen backen oder Kochen kann man Kinder wunderbar mit einbeziehen und durch Riechen, Schmecken, FĂŒhlen und Benennen der einzelnen Zutaten den Wortschatz des Kindes erweitern. Aber auch hierbei sollte man immer aufpassen, dass dies kein Abfragen wird, d.h. das Sprechen geĂŒbt wird. Dann gibt es natĂŒrlich zahlreiche, dem Alter entsprechende Spiele wie Dominos oder Memories und Spiele zur Hörwahrnehmung. Lieder, Finger- und rhythmische Spiele machen Spaß und unterstĂŒtzen ebenfalls die Sprachentwicklung des Kindes.

Vielen Dank Frau Seiffarth fĂŒr die ausfĂŒhrlichen Informationen.

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Über den Autor/die Autorin
Foto der lernando-Autorin Alexandra von PlĂŒskow-Kaminski

Alexandra von PlĂŒskow-Kaminski hat mehr als 20 Jahre als Grundschullehrerin gearbeitet und war als Fachberaterin tĂ€tig. Dabei war sie u.a. zustĂ€ndig fĂŒr die ÜbergĂ€nge von der Kita in die Grundschule und von der Grundschule in die weiterfĂŒhrende Schule. Seit MĂ€rz 2022 koordiniert sie das Sprachbildungszentrum LĂŒneburg.

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